«Manchmal hasse ich mich dafür, nie an einem anderen Ort gelebt zu haben»

von Yannic Schmezer 2. September 2018

Am 07. September erscheint mit «Gott» das neunzehnte Album des Berner Rappers Baze. Journal B hat ihn zum Gespräch über das Göttliche, die Reitschule und natürlich seine Musik getroffen.

Journal B: Dein neues Album heisst «Gott». Weshalb?

Baze: Rein vom Sound her würde ich sagen, hat das Album etwas Göttliches, Sphärisches. Auf dem Album rede ich oft von Gefühlen, Menschen die mich umgeben, Orten an denen ich gewesen bin – für mich liegt darin Gott. Ich will aber niemandem diktieren, was unter Gott zu verstehen ist und niemandem den Glauben absprechen. Es gibt kein Copyright auf den Begriff und ganz sicher braucht Gott keinen Fürsprecher, der jede kleine göttliche Intuition kennt und genau weiss, was zu tun ist.

Dein letztes Album «Bruchstück» erschien im Februar 2017, «Gott» erscheint am 07. September, also nur eineinhalb Jahre später. Wie schaffst du diese hohe Kadenz?

«Bruchstück» und «Gott» entstanden fast zeitgleich. Ich befand mich damals gerade in einer sehr produktiven Phase. Ich bin keine Person, die täglich schreibt, es kann sogar sein, dass ich vier, fünf Monate nichts Konkretes aufschreibe, sondern nur ein paar Ideen. Das sind dann aber meistens Fragmente, Sätze, Bilder, irgendwelche Grundideen. Eigentlich hätte ich noch viel mehr Material, als auf «Gott» sein wird.

In einem Interview mit SRF Virus vor einem Jahr sagtest du, dass du am besten schreiben kannst, wenn du scheisse drauf bist.

Natürlich hängt mein Output auch immer mit meiner persönlichen Situation zusammen. Ich schreibe am besten, wenn ich mich in Wandelphasen befinde oder in meinem Leben gerade eine Veränderung stattfindet. Wenn ich gut drauf bin, dann geniesse ich einfach und habe nichts beizufügen. Im Negativen hingegen liegt eine Faszination. Wenn ich Musiker sehe, die im Studio mit sich kämpfen und das offen auf den Tisch legen, dann finde ich das spannend. Musik wie auf Instagram, wo nur das Gute und das Schöne gezeigt wird, finde ich langweilig.

Daraus entsteht auf «Gott» auch eine Melancholie. Woraus schöpfst du diese?

Aus mir selber, denn ich habe eine sehr melancholische Seite. Die kann ich manchmal geniessen, dann ergreift mich eine Grundtraurigkeit, die aber gar nicht unbedingt negativ sein muss. Dadurch, dass meine Musik melancholisch ist, ist sie auch authentisch, weil ich abbilde, was in mir vorgeht.

Auf dem Album «Supersonisch» (2008) rappst du über Bern: «das hie isch nid Züri, hie gits keni Locations, nur Beamti, Junkies, ke Schwizermeischter, nur paar armi Gstaute i versiffte Beizä wo ihres ganze Ghaut für Bier verheize». Ist auch Bern melancholisch?

Bern ist nicht gerade eine sehr frohmütige Stadt. Ich hasse mich manchmal dafür, nie an einem anderen Ort gelebt zu haben und jetzt stecke ich fest. Natürlich, mein Umfeld ist hier, meine Familie, meine Freunde. Ich liebe es ausserdem, gerade jetzt im Sommer, so nahe der Natur zu leben, ich war fast jeden Tag in der Aare. Trotzdem reibe ich mich an Bern und rege mich immer wieder auf. Im Song «Z’gmachte Bett» sage ich: «u nachere gwüsse Zyt frisst di jedä Ort uf sini Art uf, bis so im Kreis loufsch, dass de di eiget Arsch chasch xeh. U da gits schöners.» Das empfinde ich auch für Bern.

Bern hat etwas Provinzielles.

Absolut. Trotzdem habe ich in Bern schon irre Dinge gesehen, die mich prägen. Auch hier trifft man auf Leben und krasse Lebensgeschichten. Und wenn man ein Neustadtlab, eine Reitschule oder ein Deadend bedenkt, dann ist Bern für seine bescheidene Grösse doch recht urban und bietet sogar Dinge, die grössere Städte nicht haben – gerade die Reitschule, die meines Erachtens in Europa einzigartig ist.

Deine Albumtaufe findet am 02. November im Dachstock statt. Was empfindest du für die Reitschule?

Meine Gefühle sind etwas ambivalent. Meistens finde ich die Reitschule extrem gut, gerade das Rössli oder den Dachstock. Aber manchmal gehen mir gewisse Leute auch auf die Nerven.

Weshalb?

Was mich stört ist, dass einige durch ihre extreme politische Meinung wahnsinnig intolerant werden. Oder das Parolenschwingen. Als wäre alles ein einziger Kampf. Aber das stimmt nicht. Natürlich läuft extrem viel falsch auf der Welt und natürlich ist es ein Skandal, dass die Schweiz jetzt wieder Waffen in Bürgerkriegsländer exportieren will, dagegen muss man unbedingt ankämpfen. Doch manchmal mündet die Verbissenheit, mit der Leute gegen andere Meinungen ankämpfen, in einer Radikalität, die mir nicht gefällt.

Zurück zur Musik. In deinen Songs sprichst du oft in Bildern und erzählst Geschichten aus dem Alltag.

Mich interessiert eigentlich nur das Menschliche, ich predige keine Theorien oder Bücher. Natürlich interessiert mich Politik, ich habe auch eine sehr klare Meinung. Aber durch das Beobachten der Menschen, kann man oft schon auf alles Wichtige in der Politik schliessen, ohne das politische direkt anzusprechen.

Der Song «Z’gmachte Bett» ist unmittelbarer und eindringlicher als die anderen Songs. Ist er absichtlich am Ende platziert, quasi als Take-Home-Message?

Er wirkt eindringlicher, weil er gesprochen ist und weil sich der Text nicht reimt. Für mich ist er ein Auskotzen zum Schluss und natürlich ist er bewusst am Ende platziert.

In einem Interview anlässlich des «Royal Arena» vor einem Jahr sagtest du, dass du in den letzten eineinhalb Jahren musikalisch besonders viel gemacht hast. Das sei der Anfang einer Phase, in der jedes Jahr etwas erscheinen werde. Mit Bruchstück (2017) und Gott (2018) sind jetzt zwei Jahre hintereinander Alben von dir erschienen. Geht’s in diesem Rhythmus weiter?

Ich könnte ihn auf jeden Fall halten, ich habe viel Musik gemacht, die noch nicht erschienen ist. In Südafrika habe ich zum Beispiel mit einer Band ein Projekt gemacht, das noch nicht draussen ist. Derzeit bin ich auch mit «Kraake », einem Projekt zusammen mit Fabian Müller, dem Pianisten von «Bruchstück», daran, etwas zu produzieren. Es kommt bestimmt noch einiges.