In einem Interview hat Albert Hofmann (1906-2008) einmal gesagt, LSD sei «etwas ganz Besonderes, weil es unser Bewusstsein verändert. Es ist eben keine gewöhnliche Berauschung. Es ist eine Bewusstseinsveränderung. Das LSD verschärft alle unsere Sinne. Und da unser Bewusstsein durch unsere Sinne geformt wird, ergibt das eine andere Sicht. Man sieht anders und fühlt anders und hört anders. Intensiver. Und das ergibt eine andere Wirklichkeit.»
Als Mitarbeiter der chemischen Fabrik Sandoz in Basel experimentiert Hofmann mit dem Pilz Mutterkorn, der auf der Roggenähre wächst. Lysergsäurediethylamid (LSD) ist ein Bestandteil dieses Pilzes. Am 16. April 1943 nimmt er vermutlich über die Fingerspitzen unabsichtlich eine Spur der Substanz auf. Ein Selbstversuch drei Tage später bestätigt ihre starke halluzinogene Wirkung.
Vom Selbstversuch zum Trip zum Gehirndoping
Die Ausstellung in der Schweizerischen Nationalbibliothek heisst zwar «LSD. Ein Sorgenkind wird 75», aber gleich auf der ersten Seite der Begleitpublikation heisst es: «Ob sich LSD vom Sorgenkind zum Wunderkind wandelt, wie es sich Hofmann wünschte, bleibt offen. Sicher ist nur, dass das letzte Kapitel dieser Geschichte noch nicht geschrieben ist.»
Die Ausstellung zeichnet die bisherige Geschichte der Substanz nach: Den Selbstversuch Albert Hofmanns, der zum Horror-Trip wird. Ab 1950 LSD als «Medikament» in Psychiatrie und Psychotherapie. Ab 1966 LSD als illegale «Droge» für Kunstschaffende, Hippies und AussteigerInnen aller Grade. Seit 2006 LSD wieder als «Medikament», mit dem psychotherapeutisch experimentiert wird bei Diagnosen wie Depressionen, Angstzuständen oder Traumata. Und schliesslich LSD als Mundspray, mit dem man die Substanz kleinstdosiert seit einigen Jahren zur Konzentrationsförderung als Doping in der Arbeitswelt einsetzt.
Der Briefwechsel zwischen Hofmann und Vogt
Die einzelnen Abteilungen der Ausstellung sind mit Zitaten aus Hofmanns Buch «LSD, mein Sorgenkind» (1979) gegliedert. Eines dieser Zitate lautet: «Zu den persönlichen Verbindungen, die ich LSD verdanke, gehört auch die Freundschaft mit dem Arzt, Psychiater und Schriftsteller Dr. med. Walter Vogt. Es waren weniger die medizinischen Aspekte des LSD, die den Arzt interessierten, als vielmehr seine tiefenpsychologischen, bewusstseinsverändernden Wirkungen, die den Schriftsteller interessierten.» Daneben stehen einige Vitrinen, in denen Briefe aus der Korrespondenz der beiden zu sehen sind.
Ergiebiger ist in diesem Punkt allerdings die Onlinepräsentation der Ausstellung: Hier können (unter Kapitel 5) 226 Dokumente aus diesem Briefwechsel durchgesehen werden. Unter anderem findet sich Vogts 11seitiger, schreibmaschinengeschriebener Brief vom 22. November 1979 (ab Blatt 145), in dem er nach einigen einleitenden Sätzen an Hofmann schreibt: «Nun in aller Kürze meine Drogen-Anamnese». Diese beginnt er mit einem Hinweis zu seinem ersten LSD-Trip im November 1969: «Sehr wach, sehr schön – langer Gang der Aare entlang und durch die Stadt.» Danach skizziert er seinen Weg als Arzt, der sich aufmacht, im Selbstversuch die Welt seiner PatientInnen kennenzulernen, bis er – multitoxikoman geworden – am 22. April 1974 selber als Patient in die Klinik Préfargier eintreten muss zum Drogenentzug.
Der erste Trip von Walter Vogt
1980 kommt Vogt auf seinen ersten LSD-Trip ausführlich zu sprechen. In seinem Roman «Altern» erzählt er, er habe damals als Psychiater in der Waldau einen «jungen Engländer» auf einem «bad trip» zu betreuen gehabt und sei dabei mit dessen Begleiter, einem Studenten, ins Gespräch gekommen. Dieser habe ihm LSD verschafft und ihn auf seinem ersten Trip als Guide begleitet: «Es war ein schöner Tag. Seligkeit des bewussten Ein- und Ausatmens. Ganze Welten bewegen. Die Sonne war mittags novemberlich durch Wolken getreten. Ich stieg ohne weiteres in den blauen Kinderaugenhimmel mit den goldumrandeten Wolkenschäfchen auf. […] Auf der Bundesterrasse begegneten wir einem Offizier in Uniform. Ich bemühte mich, einigermassen unauffällig zu gehen. Mein Begleiter lachte leise. Ich lachte ebenfalls, sobald der Uniformierte vorüber war. Ein zerebrales, bisschen enthirntes Lachen; archaisches Lachen, Buddhalachen, Giocondalachen, was weiss ich. Ein Lachen oder Lächeln, das, in unseren Breiten zumindest, dem gesunden erwachsenen Mann keineswegs zusteht.» (Walter Vogt: Altern, [Benziger] 1980, S. 181f.; eine weitere Beschreibung des ersten Trips findet sich in: Walter Vogt: DRÖX, [Kurt Salchli Verlag) 1987, S. 21).
Ebenfalls um 1969 begegnet ein anderer Schriftsteller nachts auf der gleichen Bundesterrasse einem bärtigen Mann, der sich eben mit Dynamit zu schaffen machen. Rückblickend schreibt er: «Louf i am Bundeshus sider verby / Mues i gäng dänke, s’steit numen uf Zyt /S’länge fürs z’spränge paar Seck Dynamit» (Mani Matter: Warum syt dir so truurig?, [Benziger] 1973, S. 13).
Es ist ein grosses Verdienst der Schweizerischen Nationalbibliothek – einer Einheit des Eidgenössischen Departements des Innern –, dass sie so prominent an die bewusstseinserweiternde Wirkung eines «verbotenen Betäubungsmittels» (BetmG, Art. 8) erinnert, die sogar journalistische Texte aus dem starren Berichterstattungskorsett in Dimensionen entlässt, die ein Lächeln erlauben, das einem gesunden, erwachsenen Mann keineswegs zusteht. (Zumindest in unserem Breiten.)