Anfangs Jahr machten die Organisatorinnen des Theaterfestivals auawirleben den ersten Schritt. Sie veröffentlichten ein Manifest (Journal B berichtete) und legten die Jahreslöhne der Festangestellten offen. Diese sind nun auf der Website einsehbar. So erhält die Gesamtleiterin für ihr 80% Pensum rund 6‘500 Franken brutto. Auf 100% hochgerechnet wären das rund 8‘160 Franken. Für andere Stellen bei auawirleben ist der Lohn tiefer; für die Produktionsleitung & Administration beispielsweise (ein 60 Prozent Pensum) gibt’s noch 3‘900 Franken brutto monatlich. Bei einem Vollzeitpensum betrüge die Entlöhnung dieser Stelle 6’500 Franken monatlich.
«Durch die Veröffentlichung unseres Manifests wollten wir mit einem guten Beispiel vorausgehen», erläutert die Leiterin von auawirleben, Nicolette Kretz, «wenn Kulturinstitutionen von sich aus ihre Löhne offenlegen, erhöht das auch den Druck auf andere.» Natürlich sei dem Ganzen eine interne Diskussion vorausgegangen, denn ein solcher Schritt könne auch Probleme mit sich bringen, fährt Kretz fort. Es bestehe die Gefahr, dass zukünftige Arbeitgeber sich an diesen Löhnen orientierten und eine Erhöhung verhindern würden. Aus diesem Grund seien auch nur die Löhne der Festangestellten von auawirleben veröffentlicht worden und nicht die Gagen von Künstler*innen. «Diese sollen weiterhin ihre Gage über die Richtgagen des Berufsverbandes hinaus situativ frei aushandeln können», sagt Nicolette Kretz.
Angepasste Löhne dank grösserer Unterstützung
Auawirleben erhält mit der neuen Vierjahresförderung 2020 – 2023 deutlich mehr finanzielle Unterstützung durch die Stadt, daher sei es auch möglich gewesen, die eigenen Löhne nach oben anzupassen, bestätigt Nicolette Kretz: «Wir haben unsere Lohnstruktur mit ähnlichen Institutionen verglichen und denken, wir liegen etwa in der Mitte. Im Vergleich mit vielen Institutionen in Bern, die auf ehrenamtliche Arbeit angewiesen sind, befinden wir uns aber in einer komfortableren Lage.»
Dieser Schritt in Richtung Lohntransparenz ist seither in Bern unerwidert geblieben. Es stellt sich nach wie vor die Frage, wie Lohnstrukturen in anderen Berner Kulturinstitutionen aussehen. Sie sei nicht davon ausgegangen, dass sich das so schnell ändern würde, sagt die auawirleben-Gesamtleiterin: «Ein solcher Entscheid braucht seine Zeit. Es ging uns auch nicht primär darum, etwas von anderen einzufordern. Aber vielleicht haben wir ja die einen oder anderen Diskussionen oder Gedanken in anderen Teams angestossen.»
Dass auawirleben die eigenen Löhne und das Budget offenlegt, erfüllt eine gewisse implizite Rechenschaftspflicht gegenüber der Öffentlichkeit. Das Theaterfestival erhält eine beachtliche finanzielle Unterstützung durch die Kulturförderung der Stadt Bern. In der laufenden Vierjahresperiode 2020 – 2023 sind es 600‘000 Franken jährlich. Insgesamt profitieren 13 Kulturhäuser von der institutionellen Förderung der Stadt Bern allein (ohne Mitwirkung der Gemeinden der Regionalkonferenz Bern-Mittelland). Weitere 11 Institutionen von «mindestens regionaler Bedeutung» werden von Stadt Bern, Kanton und umliegenden Gemeinden tripartit unterstützt. Der Kanton seinerseits unterstützt allein das Kunstmuseum und das Zentrum Paul Klee sowie im Verbund mit weiteren Partnern (ohne Stadt) das Alpine Museum der Schweiz. Einzige Trägerin des Naturhistorischen Museums ist die Burgergemeinde Bern. Und das Museum für Kommunikation ist eine Institution von Post und Swisscom.
Branchenübliche Löhne: Was heisst das?
Alle der von der Stadt (mit-)unterstützen Kulturhäuser haben einen Leistungsvertrag mit dieser und dadurch gesicherte Zahlungen während des Zeitraums von vier Jahren. Eine der Voraussetzungen dafür ist, dass die unterstützten Kulturhäuser «branchenübliche Löhne bezahlen», wie die zuständige Stelle, Kultur Stadt Bern, auf ihrer Website bekannt gibt.
«Die Bedingung, dass die unterstützten Kulturhäuser branchenübliche Löhne bezahlen, ist Bestandteil des Leistungsvertrages», bestätigt Giulia Meier von Kultur Stadt Bern. Zudem sind die Kulturinstitutionen gemäss Leistungsvertrag verpflichtet, bei der Entschädigung von Kulturschaffenden die Richtgagen und Richtlöhne der Verbände zu beachten. Der Begriff «branchenüblich» sei allerdings nicht sehr konkret, sagt Meier. In vielen Kultursparten gebe es keine Gesamtarbeitsverträge. Daher bestehe hinsichtlich der zulässigen Löhne eine gewisse Spannbreite. Zudem werden die Lohnstrukturen der Vertragspartner durch Kultur Stadt Bern nicht systematisch überprüft, ergänzt Giulia Meier: «Im Verdachtsfall würden wir aber natürlich aktiv und die betreffende Kulturinstitution auffordern, einen entsprechenden Nachweis zu erbringen.»
Die Recherche von Journal B in den vergangenen Wochen zu den Lohnstrukturen dieser Institutionen zeigt, wie unterschiedlich mit dem Thema umgegangen wird und wie tabuisiert die Offenlegung von Löhnen nach wie vor ist. Die Recherche fokussierte sich auf die 13 Institutionen, die alleine von der Stadt gefördert werden. Ausnahmen von diesem Kriterium bilden Konzert Theater Bern, das Berner Puppentheater und die Heitere Fahne.
Der Einzelfall
Die grösste der tripartit unterstützten Kulturinstitutionen ist Konzert Theater Bern (KTB). In der Vierjahresplanung von Kultur Stadt Bern ist KTB mit einer jährlichen Subvention von 18.6 Millionen Franken quasi der Krösus. Zusammen mit den Beiträgen von Regionalkonferenz und Kanton erhält KTB knapp 39 Millionen jährlich. Der Eigendeckungsgrad der Institution lag zuletzt bei 21 Prozent.
Auf die Anfrage von Journal B nach den Lohnstrukturen antwortete KTB, dass ihr Personal verschiedenen Gesamtarbeitsverträgen unterstellt sei, daher gäbe es keine einheitliche Lohnstruktur. Aus Rücksicht auf die Privatsphäre der Mitarbeiter*innen gebe KTB keine Auskunft zu einzelnen, effektiv ausgezahlten Löhnen. Jedoch zahle man branchenübliche Löhne. Dass dem offenbar nicht immer so war, zeigt der Vortrag des Gemeinderates zuhanden des Stadtrats aus dem Jahr 2018 als die Vierjahresplanung 2020 – 2023 der städtischen Kulturförderung diskutiert wurde. Darin heisst es, dass in der damals laufenden Periode bei KTB endlich ein Mindestlohn von 4‘000 Franken monatlich eingeführt wurde. Die damaligen Löhne einiger technischer Abteilungen lägen sogar «deutlich unter dem Branchenüblichen».
Die Lohndiskussion sorgte in der Vergangenheit bereits einmal für Wirbel im grössten Kulturhaus des Kantons. Als der Intendant Stephan Märki im Juli 2018 zurücktrat, erhielt er eine Lohnfortzahlung von neun Monaten. Dies sorgte für Unmut, die Zeitung «der Bund» mutmasste damals, sein Gehalt läge bei 300’000 Franken jährlich. KTB wollte das genaue Salär bereits damals nicht offen legen.
Die Grosse Halle und die Kinos
Bei anderen Betrieben gestaltete sich die Nachfrage deutlich einfacher: Die zwei Co-Leiter*innen der Grossen Halle verdienen auf ein 100% Pensum hochgerechnet je 75’400 Franken brutto pro Jahr. Für die weiteren Mitarbeiter*innen der Grossen Halle (Technik, Bar etc) liegt dieser Lohn bei 65’650 Franken brutto pro Jahr.
Das Kino Rex, welches vom Verein Cinéville betrieben wird, kennt vier Lohnklassen: Das Bar-/Kassenteam und die Büroaushilfen erhalten mindestens 23 Franken plus Ferienzulage ausbezahlt. Die vier Personen, die die Leitung der Kinotechnik und der Bar innehaben, verdienen jährlich je mindestens 58‘000 Franken brutto. Für die Leitung Marketing & Kommunikation beträgt der Bruttojahreslohn 73‘000 Franken und für die Stelle der Geschäftsleitung & Programmation 100‘000 Franken. Alle diese Löhne beziehen sich auf Vollzeitpensen.
Im Kino Lichtspiel sind rund 30 Personen aktiv, davon ist ein Drittel angestellt, die anderen arbeiten ohne Entlöhnung. Alle Angestellten verdienen gleich viel: entweder netto 25 Franken im Stundenlohn oder netto 4‘600 Franken monatlich.
Die Stundenlohnfraktion
Andere Betriebe kommen ohne fixe Monatslöhne aus. Im Sous Le Pont und Rössli der Reitschule verdienen gelernte Mitarbeitende brutto knapp 28 Franken, ungelernte gut 23. Auch das Tojo Theater ein paar Türen weiter bezahlt nur Stundenlöhne. Diese betragen 27 Franken netto. Im Kino in der Reitschule wird komplett ehrenamtlich gearbeitet.
Städtische und kantonale Reglemente
Die Robert Walser-Stiftung, die das Robert Walser-Zentrum betreibt, sei «glücklicherweise in der Lage, branchenübliche Gehälter zu bezahlen.» Die Stellenprofile und Gehaltsstufen seien 2009 zusammen mit den zentralen Diensten der Stadt Bern festgelegt worden und hätten sich seither entsprechend den städtischen Reglementen weiterentwickelt. Ähnlich klingt es auch vom Haus der Religionen – dort orientieren sich die Beschreibungen der beruflichen Positionen und Gehaltsklassen an jenen des Kantons Bern. Absolute Zahlen sollten aber nicht veröffentlicht werden.
Blick nach ausserhalb
Ausserhalb der städtischen Vierjahresförderung sieht die Realität nochmal anders aus. So etwa beim Berner Puppentheater, welches von der Stadt mit Beiträgen aus der «Altstadt-Kulturkeller» Förderung unterstützt wird. Die beiden Theaterleitenden erhalten bei 100% einen Monatslohn von 3000 Franken brutto. Die temporäre Buchhaltungsstelle wird mit einem Stundenlohn von 25 Franken netto entlöhnt. Das Ticketing wird ehrenamtlich betrieben.
Ehrenamtlichkeit ist auch hinter der Berner Gemeindegrenze, in der Heitere Fahne, ein Grundpfeiler der Existenz. Der höchste Lohn betrug dort in der Saison 2018-2019 43’400 Franken brutto für zwölf Monate bei einem Pensum von 100%. Die Löhne für Sozialarbeitende, Techniker*innen und Mitarbeitende im Gastrobereich bewegen sich um 2’000 Franken monatlich. Der Betrag, der zu einem Bruttolohn von Viertausend Franken fehlt, wird als ehrenamtliche Leistung sichtbar gemacht. In der vergangenen Saison leisteten die 24 Mitarbeitenden des Kollektivs so ehrenamtliche Arbeit im Wert von mehr als 300’000 Franken.
Die Fehlenden
Das Schlachthaus Theater schreibt gegenüber Journal B kurz vor Veröffentlichung dieses Artikels, dass sich die Institution soeben dazu entschieden habe, die Löhne transparent zu machen und diese Informationen im August auf ihrer Website aufschalten will. Die Dampfzentrale und bee-flat im Progr waren aktuell nicht bereit, die Lohnstrukturen offenzulegen. Grund dafür waren teils dringendere Prioritäten, die durch die Einschränkungen des Kulturbetriebs in den letzten Wochen und Monaten entstanden. Das Einsteinhaus Bern, der Dachstock der Reitschule und die Kunsthalle Bern blieben bislang eine Antwort schuldig.