Leute sollen stressfrei unterwegs sein

Was macht gute Verkehrsplanung aus? Berns neuer Verkehrsplaner gibt Auskunft. Seit September 2014 leitet Karl Vogel, diplomierter Ingenieur in Raumplanung, die Verkehrsplanung der Stadt Bern.

Karl Vogel, Sie waren zuvor in Zürich und Luzern tätig. Was war Ihr erster Eindruck des Berner Verkehrs?

Karl Vogel: Mir sind vor allem zwei Dinge aufgefallen: Bern hat einen sehr starken öV und verglichen mit anderen Städten sind hier verhältnismässig wenige Autos unterwegs. Im Bereich des Eigerplatzes bis zur Lorrainebrücke gibt es beispielsweise auch in den Hauptverkehrszeiten selten Stau. In Zürich und Luzern sind Auto-Staus in den Abendspitzen an der Tagesordnung. Bern hat erfolgreich Massnahmen ergriffen, um den motorisierten Individualverkehr stadtverträglich zu bewältigen. Allerdings gehen die Prognosen in den nächsten Jahren von einer Verkehrszunahme aus. Nur wenn der öV und der Veloverkehr diese gemeinsam auffangen können, wird die nachhaltige Mobilität in Bern weiterhin den Ton angeben. Das ist wichtig für die Wohn- und Lebensqualität in der Stadt.

Und wie nehmen Sie den Berner Verkehr jetzt im Alltag wahr?

Da ich hauptsächlich mit dem Velo unterwegs bin, dominiert diese Sicht meine Wahrnehmung. Ich empfinde das Unterwegssein in Bern als ruhiger und unaufgeregter als in vielen anderen Städten. Das indirekte Linksabbiegen, das andere Orte nicht kennen, kommt Velofahrenden entgegen. Denn es bietet die Möglichkeit  sicher abzubiegen, ohne zwischen Autokolonnen einzuspuren.

Das tönt sehr gut. Wo harzt es?

Noch gibt es viel zu wenige Veloabstellplätze, insbesondere um den Bahnhof herum. Auch müssen wir das Velofahren in der Stadt noch angenehmer gestalten. Ein Beispiel dafür sind Ampeln: Für den öV und die Füssgängerinnen bedeuten diese ein sicheres und rasches Vorankommen, während sich Velofahrende dadurch oft ausgebremst fühlen und eine Komforteinbusse haben. Deshalb arbeiten wir an Lösungen, wie auch Velos schneller, sicherer und störungsfrei unterwegs sein können. Die von uns geplanten Velorouten werden dabei eine wichtige Rolle übernehmen.

Eine Ihrer Aufgaben ist es also, zwischen den Verkehrsgruppen zu vermitteln?

Uns muss es gelingen, die unterschiedlichen Mobilitätsbedürfnisse möglichst reibungslos aneinander vorbei zu bringen. Die grosse Herausforderung dabei ist, dass die verschiedenen Verkehrsströme oftmals am selben Ort durchführen und der Platz in der Stadt sehr knapp ist. Deshalb denken wir auch darüber nach, wie Verkehr vermieden oder verlagert werden kann.

Was macht gute Verkehrsplanung aus?

Ich finde es wichtig, hier zwischen Zielen und Mitteln zu unterscheiden. Die Ziele der Verkehrspolitik werden durch die Bevölkerung vorgegeben: In Bern will man nachhaltig unterwegs sein, kurze Wege zwischen Wohnen und Arbeiten sowie lebenswerte Wohn-Quartiere haben. Bei den Mitteln ist es entscheidend, gemeinsam mit den Leuten vor Ort zu arbeiten. Ich kann als Verkehrsplaner nicht bloss hinter dem Schreibtisch sitzen. Es ist entscheidend, den Dialog zu suchen und die Leute in die Lösungssuche einzubeziehen – sie gemeinsam mit ihnen zu entwickeln. Darum ist für mich beispielsweise sehr wichtig, dass wir gut mit den Quartierorganisationen zusammenarbeiten.

Was wünschen Sie sich persönlich für den Berner Verkehr?

Dass dabei die Menschen im Zentrum stehen. Sie sollen stressfrei und gerne unterwegs sein und dabei den öffentlichen Raum nicht nur als Verkehrs-, sondern auch als Begegnungsfläche wahrnehmen können.