«Von der Feuerwehrkaserne zum Quartierleuchtturm»: Unter diesem Motto trafen sich am letzten Samstagvormittag rund achtzig Personen in einem Saal der GIBB an der Lorrainestrasse, um über die Zwischennutzung des Areals am Viktoriaplatz zu sprechen.
Hintergrund: Am 6. Dezember wird die Berner Berufsfeuerwehr an die Murtenstrasse umziehen. Die Bauarbeiten für die definitive Wohn- und Dienstleistungsnutzung am Viktoriaplatz werden laut Gemeinderat «frühestens Ende 2017/Anfang 2018» beginnen. So wird eine rund dreijährige Zwischennutzung des Areals möglich. Neben einer Asylunterkunft und Räumen für Schulen, die der Gemeinderat bereits beschlossen hat, stehen den Interessierten rund 1700 Quadratmeter Raum zur Verfügung. Darum hat der Dialog Nordquartier zum Brainstorming geladen.
Der Traum von einem offenen Quartiertreffpunkt
Vor vier Stellwänden sind an diesem Vormittag vier Arbeitsgruppen zirkuliert. Vor dreien wurde entlang der geplanten Baufelder Ideen für Zwischennutzungen gesammelt: zum einen für die denkmalgeschützte Kaserne entlang der Viktoriastrasse, zum zweiten für die Annexbauten an der Gotthelfstrasse, die voraussichtlich später abgerissen und durch einen Neubau mit Wohnungen ersetzt werden, zum dritten für den grossen Innenhof.
Der Workshop machte klar: Jene, die schliesslich entscheiden, werden die Qual der Wahl haben.
Fredi Lerch
Der Workshop machte klar: Jene, die schliesslich entscheiden, werden die Qual der Wahl haben. Von vielfältigen Gastroangeboten bis Quartierwerkstätten; von Kita-Räumen (mit Spielplatz im Innenhof) bis zu einer Bibliothek, einem YB-Fantreffpunkt oder Künstlerateliers; von Urban gardening über Social kitchen bis Co-working space; von Archiv-, Lager- und Kühlräumen bis zu Ausstellungs-, Soli-Festräumen und einem Ort für eine Kaffeerösterei – all das wurde vorgeschlagen.
Dabei fühlte man sich nicht in einer Versammlung von bierernsten KleingewerblerInnen. Klar gibt es Interessen mit kommerziellem und solche mit eher kulturpolitischem Hintergrund. Aber im Ganzen erhielt man den Eindruck, das Eingangstor zum Nordquartier solle zu einem möglichst öffentlichen Treffpunkt für möglichst viele (ohne Konsumzwang) werden.
Asylunterkunft: Integration statt Kaserne
In diesem Sinn wurde vor der vierten Stellwand auch die Asylunterkunft diskutiert, die der Gemeinderat vorsieht, nachdem der Kanton bei der Stadt mittels Notrecht eine zusätzliche Asylunterkunft für rund hundert Personen bestellt hat.
Einhellig war man der Meinung, an diesem Ort solle eine solche Unterkunft «nicht gewinnorientiert» betrieben werden: Gewünscht wird nicht Käfighaltung mit möglichst wenig und schlecht bezahltem Aufsichtspersonal, sondern ausreichend kompetentes Personal, das mithilft, im Areal das soziale Leben fördern. Die Durchlässigkeit zwischen Asylunterkunft, den verschiedenen Zwischennutzenden und dem angrenzenden Quartier soll so gross wie möglich sein. Asylsuchende sollen in die Projekte soweit sinnvoll einbezogen werden. Arbeitseinsätze – etwa im Gastrobereich – sollen möglich sein. Die Asylunterkunft soll mit einem Wort als Leuchtturmprojekt geplant und betrieben werden und zeigen, was mit Integration statt Kasernierung erreicht werden kann.
Wie weiter?
In den nächsten Tagen besichtigen die Zuständigen des Kantons die Feuerwehrkaserne. Sie werden das städtische Angebot voraussichtlich dankend annehmen. Der Entscheid, wer die Unterkunft betreiben wird – vermutlich entweder die ORS Service AG oder die Heilsarmee – liege danach in der Kompetenz des Kantons, sagt die zuständige Gemeinderätin Franziska Teuscher gegenüber Journal B: «In diesem Punkt kann die Stadtregierung höchstens einen Wunsch äussern.»
Demnach muss der Dialog Nordquartier die Meinung der Workshop-Teilnehmenden in den kommenden Tagen dem Gemeinderat mit Nachdruck vortragen, damit der Wunsch der interessierten Quartierbevölkerung unüberhörbar weiterleitet wird.
«Asylsuchende in dieser Art willkommen zu heissen ist der Integration förderlich und auch für alle Beteiligten bereichernd.»
Ursula Heitz
Ursula Heitz, Leiterin des Kompetenzzentrums Integration der Stadt Bern, freut sich sehr über die Reaktion der Interessierten am Workshop: «Asylsuchende in dieser Art willkommen zu heissen ist der Integration förderlich und auch für alle Beteiligten bereichernd.»
Welche Zwischennutzungen schliesslich realisiert werden, ist offen. Voraussichtlich Mitte November wird der Gemeinderat ein «Bewirtschaftungskonzept» für die Zwischennutzung verabschieden. Bis dann wird auch der in Gründung befindliche Verein «Leuchtturm» (siehe Kasten rechts) aufgrund der verdichteten Ergebnisse des Workshops konzeptionelle Vorstellungen haben.
Danach wird verhandelt werden. Es muss schnell gehen. Erste Zwischennutzungen sollen ab Februar 2015 möglich sein.