Lesen und Umarmen

von Christoph Reichenau 25. März 2022

Anstiften zum Lesen, Anbahnen von Gesprächen unter Lesenden, Wecken der Freude auf das Öffnen eines Buchs – das will das Festival «Bern liest ein Buch», das am Montag beginnt.

Lesen ist eine Grundkompetenz wie Schreiben, Alltagsmathematik und Informatik. Ohne Lesen ist man, so die gängige Meinung, in der heutigen Welt abgehängt. Ohne Lesen lässt sich viel Wissen nicht erwerben. «Dieses Plakat liest sich nicht von selbst», mit diesem Slogan wirbt die Berufs-, Fach- und Fortbildungsschule Bern für Deutschkurse. Das heisst: Lesen ist nützlich und nötig.

Lesen ist aber auch ganz ohne praktischen Nutzen, doch schön und bereichernd. «Jedes Buch ist ein Versprechen» lautet der Titel der Schrift zum 50-Jahr-Jubiläum der Münstergass-Buchhandlung. Ein Versprechen auf einen weiteren Horizont, eine neue Welt, auf andere Menschen, auf frühere und kommende Zeiten. Lesen ist ein einsames Tun. Und lesen öffnet einen für andere Lesende. «Wenn ich auf der Strasse zwei Menschen sehe, die sich umarmen, denke ich immer: Die haben dasselbe Buch gelesen», sagt der grosse Erzähler Peter Bichsel.

Lesen verbindet mit anderen Lesenden. So wie ganz früh Vorlesen verbunden hat: Die Vorlesenden mit den Zuhörenden. Auch wenn im Kopf jeder Leserin und jedes Lesers eine unterschiedliche Geschichte entsteht, verschiedene Gestalten, Formen und Farben – sie stammen aus ein und demselben Text.

Von 28. März bis 8. April schafft das kleine Festival «Bern liest ein Buch» an vielen Orten Gelegenheiten für Lesende, sich zu umarmen. Das Buch, das sie gelesen haben werden, hat Thomas Duarte geschrieben; sein Titel: «Was der Fall ist». Ausgewählt haben das Buch fünf sogenannte Vor-Leserinnen, Vorkosterinnen oder Vorprüferinnen mit unterschiedlichen Bezügen zu Büchern und zum Lesen, darunter Steff la Cheffe. Herausgekommen sein soll ein Buch für alle Fälle, für alle Jahreszeiten, für viele Geschmäcker, für viele Gespräche. Ein Buch, in dem – von Leserin zu Leser – viele individuelle Bücher stecken.

Wichtig: Wer das Buch gelesen hat kann sich einen Pin anstecken und damit signalisieren, sie oder er sei auch ausserhalb von organisierten Veranstaltungen bereit, darüber zu reden, unter den Lauben, bei einem Kaffee, auf einem Spaziergang. Einfach so.

Ab 28. März. Das Programm und alle Informationen unter www.bernliesteinbuch.ch