Alltag - Kolumne

Lauwarme Berner-Gräben

von Jovana Nikic 26. Februar 2025

Be(rn)trachtungen Unsere Kolumnistin geniesst den milden Februar und zeigt warum hinter dem lauwarmen Gefühl mehr steckt als nur eine Temperaturangabe.

Es ist ein lauwarmer Wintertag in Bern. Die Sonne lässt sich in den ersten Februarwochen blicken, und sie tut das auf langsame Art. Kein schroffer Winter, der einem den Atem raubt, sondern eher ein sanftes Streicheln auf der Haut, während man sich auf den Café-Terrassen des Casinotheaters in den bequemen Stühlen niederlässt und einen Cappuccino geniesst.

Lauwarm. Genau das beschreibt den Moment. Die Sonne tut, was sie am besten kann: Hoffnung schenken. Und so fühlt es sich an: Die Wintergeister beginnen sich zu verflüchtigen, der Frühling wagt sich heran. Die Temperaturen sind angenehm, der kalte Hauch des Januars aber noch nicht ganz verflogen.

Der Dezember, der mit seiner düsteren Kälte und den vielen Festtags-Beschaffungen in den Taschen so anstrengend war, ist vorbei. Das berüchtigte Januarloch scheint für die meisten Berner*innen überstanden zu sein.

Man fühlt sich wohl in Bern, beinahe beschwingt

Der «Stutz», der nach den Festlichkeiten knapp war, ist nun wieder da, das Januarloch überstanden – und mit ihm die Lust, die Stadt zu entdecken. Vom Wochenmarkt bis hin zum Bärengraben.

Lauwarme Gedanken kommen auf, wenn man von einem Stand zum anderen schlendert, sich von bunten Farben und frischen Waren betören lässt. Man fühlt sich wohl in Bern, beinahe beschwingt. Der Winter ist noch nicht ganz besiegt, aber auch nicht mehr so schroff wie vorher.

Gerade jetzt ist es die perfekte Zeit für einen Ausflug ins Bernaqua. Das warme Aussenbecken lockt zum Schwimmen im Kalten. Draussen mag die Luft kalt sein, aber im Wasser geniesst man ein Gefühl von Lauwarm, ein wohltuendes Wechselspiel zwischen frostiger Luft und warmem Wasser, das den Körper umhüllt.

Lauwarm – es ist der Übergang, der sich in Bern auf so vielen Ebenen abspielt

Und dann gibt es noch die Brasserie, die nach einem langen Spaziergang durch die Stadt das perfekte Ziel ist. Wer hätte gedacht, dass sich das späte Winterfeeling so schön in einem dampfenden Teller Suppe, Pasta oder einem warmen Croissant widerspiegeln kann?

In den Brasserien dieser Stadt ist es ein bisschen wie im Moment in der Sonne: lau, nicht zu warm, nicht zu kalt. Der Service ist aufmerksam, aber nicht übertrieben. Die Atmosphäre entspannt und lebendig trotz Schwierigkeiten mit Geldern und dem Lauwarmfall.

Kennen Sie noch die Band Lauwarm? 2022 gab es diesen Skandal: Die Band Lauwarm musste auf Wunsch der Brasserie Lorraine das Konzert vorzeitig beenden, da sich Zuschauende aufgrund kultureller Aneignung der Band unwohl gefühlt hatten. Der Vorwurf einer bürgerlichen Jungpartei: Die Brass habe diskriminiert. Beinahe zwei Jahre wartete man auf den Prozess, der einen Graben zwischen Werten schuf. Nicht den Bärengraben, viel mehr einen Bern-Graben.

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Viele warteten auf einen hitzigen Prozess. Medial kochte der Fall zwar auf, aber nach nur wenigen Tagen ist klar: Die Brass bekommt recht. Der Entschluss liess weniger lange auf sich warten als der Prozess oder der Frühling.

Lauwarm – es ist der Übergang, der sich in Bern auf so vielen Ebenen abspielt. Vom späten Winter, der noch seinen kühlen Atem spüren lässt, bis hin zu den sanften ersten Frühlingstagen, die uns wieder in die Stadt hinauslocken.

Wer sich in Bern auf die Strassen begibt, den Wochenmarkt besucht oder sich zum Käffeli setzt, versteht: Lauwarm ist mehr als nur eine Temperaturangabe. Es ist das Gefühl des Übergangs, das Gefühl von Hoffnung und Aufbruch, von Dingen, die wachsen, wenn man ihnen Zeit gibt und Dinge, die sich, wie der unnötige Prozess (wie die Lauwarm-Band selbst verriet) erledigen.