Alltag - Kolumne

Langsamverkehr mit dem Treppenlift im Rathaus

von Peter Steiger 18. Juli 2025

Alt.Mann.Bern. Im Berner Rathaus kommt vieles nur langsam voran. Das gilt auch für den Treppenlift. Die Fahrt in den Ratsaal dauert fünf Minuten. Unser Kolumnist und seine Rolli-Partnerin ärgern sich über weitere Hindernisse.

Begleiten Sie den Verfasser und seine Partnerin durch die Altstadt. Sie sitzt seit einigen Jahren im Rollstuhl. Damit ist sie keine Anfängerin mehr, aber auch keine Akrobatin, wie jene, die von klein auf mit dem Gefährt verbunden sind.

Die Berner Lauben sind gäbig. Sie nützen, wenns regnet. Sie nützen, wenns heiss ist. Überhaupt nichts nützen sie hingegen den Rollstuhlfahrenden. Wir zwei  gehen vom Käfigturm durchs Rohr bis zur Nydegggasse. Wir fahren rechts. Die andere Seite ist nur über fast unüberwindbare Absätze erreichbar.

Von oben bis unten können wir nur beim Zytglogge problemlos hinüberwechseln. Rampen würden Rolli- und Kinderwagen-Pilotinnen und -Piloten helfen. Doch die Denkmalschützer und die Hüter des Unesco-Welterbes sagen nein. Damit schützt die Stadt die Denkmäler vor Rampen und die Mobilitätseingeschränkten vom doppelseitigen Konsumterror.

Bei der Kreuzgasse  biegen wir nach links zum Rathaus ab. Unsere Rollstuhl-Aktivistin hat dort gelegentlich im Ratsaal zu tun. Das 600-jährige Gebäude hat einen Treppenlift, besser, einen Schneckenlift. Hüsli-und -Nacktschnecken überholen ihn. Eine Fahrt dauert fünf Minuten, f.ü.n.f Minuten. Ein WC-Besuch wird damit zur fünfzehnminütigen Bewährungsprobe. Während der Sitzungspausen muss die Rolli-Frau im Gebärsaal der bernischen Gesetzgebung ausharren. Drängen mehrere Rollis zusammen zum Lift, erinnert der Stau an den Gotthard.

 Während Sitzungspausen muss die Rolli-Frau
im Gebärsaal der bernischen Gesetzgebung
ausharren.

Hänu, irgendwann sind wir wieder draussen und rollgehen hinüber zur Münsterplattform. Die Boulespielerinnen und -spieler habens mit dem roten Chügeli. Es ist ein Sport, der auch für Rolli-Athleten zugänglich ist. Nur über einen langen Umweg zugänglich ist hingegen der Eingang des Münsters. Die paar Stufen vom Pläfu zum Münsterplatz sind unüberwindbar. Eine Rampe? Jesses nein. Unesco, Mittelalter, Denkmalschutz. Hier trotzdem die Bauanleitung: Rampe aus Sandstein verziert mit spätgotischen Motiven.

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Im Rolli-Raketentempo weitere Eigenheiten Berns: Im Historischen Museum gelangen Gehbehinderte über einen schicken Aussenlift ins Innere. Im ehrwürdigen Gebäude sind allerdings einige Räume nicht barrierefrei zugänglich. Im Berner Kunstmuseum führt eine Rampe hinauf zum Eingang und zu einem Treppenlift. Achtung Mehrwert: Wenn viele Besuchende anstehen, lotst das Personal unsere Rollifrau (und deren Begleiter) an der Schlange vorbei über den Lift zur Kasse. Ob es Scheininvalide gibt, die mit einem Scheinrolli dieses Privileg missbrauchen?