Kunst-Stafette #51: Lilian H. Zürcher

von Magdalena Schindler 19. Januar 2016

Die Bildhauerin Lilian H. Zürcher wirft dem Bundespräsidenten einen Stein vor die Füsse. Ihr Findling ist ein Appell an Bildungsminister Schneider-Ammann, Berufe wie den der Steinbildhauer nicht durch zu viel Bürokratie zu gefährden.

Was hat dich zu dieser Arbeit veranlasst?

Lilian H. Zürcher:

Die Idee, als Steinbildhauerin mit einem Werk auf die Berufs- und Bildungspolitik von Bundesrat Johann Schneider-Ammann zu reagieren, hatte ich schon länger im Kopf. Es brodelte in mir und ich wollte mit einer Kunstaktion meinem Protest Ausdruck geben. Die Kunststafette überreicht zu bekommen, war dann die Initialzündung dazu, es auch zu tun. Man muss wissen, dass die Steinbildhauer und Steinmetze zu der Gruppe der Kleinstberufe gehören. Diesen Namen hat man an den SwissSkills 2014 kreiert, man bezeichnet damit Berufsgruppen, die weniger als hundert Lehrlinge im Jahr ausbilden und in kleinen Berufsverbänden organisiert sind.

Ein kleiner Verband zu sein, bedeutet auch eine kleine Finanzkraft zu haben. Die vielen Auflagen vom Bund für die Berufsbildung erzeugen aber enorme Kosten. Man würgt uns, kurz gesagt, die Luft ab, bei dem Versuch unser eigenes Berufsbild zu erhalten. Das geht so nicht! Umso mehr als Bildungsminister Johann Schneider-Ammann, Bundespräsident für das Jahr 2016, in einem von Bildhauerhänden geschaffenen Steinpalast sitzt, der die Schweizerische Eidgenossenschaft repräsentiert.

Darum schuf ich diesen Schriftstein, ein archaisches Symbol mit eingravierter und prägnanter Botschaft. Den 20 kg schweren Stein (im Vergleich: Der Unspunnenstein wiegt 83,5 kg!) dazu hob ich als Findling aus dem Flussbett der Emme, die nicht weit von meinem Atelier durchfliesst. In einer weiteren Aktion und um mein Werk zu vollenden, reiste ich mit dem Stein nach Bern und warf ihn Johann symbolisch vor die Füsse. Die in Stein gehauenen Worte JOHANN WIR WOLLEN KÖNNEN! und die Niederlegung vor dem Bundeshaus manifestieren mein Anliegen. Zusammen mit meinem Berufskollegen Roman Greub hielt ich es im Bild fest. In der kurzen Zeit dieses Fotoshootings vor dem Bundeshaus gab es sofort Reaktionen und Fragen von Passanten.

Das beweist, dass ein gewisses Potenzial da ist, den öffentlichen Raum von Bern zu nutzen. Die Leute haben die kleine Kunstaktion sofort wahrgenommen und waren interessiert – Johann Schneider-Ammann allerdings noch nicht, vielleicht muss ich das nächste Mal einen grösseren Stein werfen.

Welchen Raum brauchst du für deine Kunst?

Am Anfang brauche ich für die Entstehung eines Werks mein Atelier. Nachher stelle ich meine Objekte vor allem im Freien auf, in Gärten, Friedhöfen oder neu – wie diesmal – auf dem Bundesplatz. Erst durch den Einfluss der Natur, der Witterung und der Jahreszeiten kommen meine Arbeiten für mich zu vollem Ausdruck. 

Sind gesellschaftliche Fragen Thema deiner Kunst?

Ja, immer häufiger.

Suchst du die Öffentlichkeit?

Ich suche im Moment vor allem Johann.

Welches ist dein persönlicher Hotspot in Bern?

Natürlich das Bundeshaus und der Platz davor, dicht gefolgt vom Münster.