Was hat dich zu dieser Arbeit veranlasst?
Sonam Dolma Brauen:
Es ist bekannt, dass die Waffenindustrie häufig mit Ländern oder Gruppen, die in Kriegshandlungen verwickelt sind, Geschäfte macht. Oft wird der frühere Verbündete zum Feind und benutzt die Waffen gegen den ehemaligen Freund. Es gibt keine «Achse des Übels/axis of evil», das Übel ist überall dort, wo Waffen nicht nur zum Selbstschutz verwendet werden, sondern aus kommerziellen Gründen verkauft werden. Als Buddhistin glaube ich an das Gesetz des Karma, das besagt, dass das, was wir denken und tun unweigerlich auf uns zurückwirkt – wie ein Bumerang.
Wie bist du bei der Umsetzung der Installation vorgegangen?
Einige Jahre vor unserem New York-Aufenthalt erhielt ich von meinem Nachbarn, der damals beim Militärdepartement arbeitete, eine Munitionshülse geschenkt. Von diesem Moment an war ich sehr neugierig zu wissen, wie eigentlich Munition funktioniert. Als ich es herausgefunden hatte, war ich beunruhigt und schockiert: Welche Zerstörungskraft in einer solchen Munition steckt! Das regte mich zu der Installation «Bumerang» an. Als ich dann zwischen 2008 und 2011 in New York lebte, habe ich Munitionshülsen gesucht und fand solche in Manhattan, in einem Schiessstand in einem Keller an der 5th Avenue! Es war sehr schwierig, gleich grosse Hülsen zu bekommen, und beim zweiten Mal wollte man mir gar keine mehr geben. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich stundenlang in einer grossen Tonne nach gleich grossen Munitionshülsen suchte. Es war stickig, lärmig (in einem anderen Raum wurde geschossen) und staubig – am nächsten Tag war ich krank. In der Schweiz dann war es viel einfacher, Munitionshülsen zu kriegen. Ein Familienfreund hat sie für mich von einem Schiessstand besorgt. Ich konnte sie kiloweise kaufen und in mein Atelier liefern lassen.
Hast du den «Bumerang» in New York ausgestellt?
In New York konnte ich den «Bumerang» bisher nicht in einer Galerie, aber anlässlich der Open Studio Days in meinem Atelier zeigen. Ich stellte die Arbeit aber anlässlich der Cantonale Berne Jura in La Nef (Noiremont) aus und sie wird ab 25. September in der Gruppenausstellung «Power, Protest and Resistance» in der Skylight Gallery in New York zu sehen sein.
Sind gesellschaftliche Fragen Thema deiner Kunst?
Ja, auch ökologische Fragen, was beispielsweise auch in meiner Bilderserie «Silent Ocean» zum Ausdruck kommt, in der es um die Öl-Katastrophe im Golf von Mexico von 2010 geht.
Suchst du die Öffentlichkeit?
Ja, ich suche die Öffentlichkeit, weil ich möglichst vielen Leuten meine Gedanken und Gefühle, die ich mit meiner Kunst ausdrücke, mitteilen möchte. Ich möchte sie zum Mitdenken anregen.
Wo siehst du Potenzial zur Nutzung des öffentlichen Raums?
Die Nutzung des öffentlichen Raums ist für uns KünstlerInnen wichtig. Das Problem: Der öffentliche Raum ist nicht frei bespielbar, sondern unterliegt Regeln, die von «Obrigkeiten» festgelegt werden und nicht verändert werden können. Öffentlicher Raum heisst nicht freier Raum, das heisst ein Raum, in dem man frei machen kann, was einem gefällt. Dies habe ich selbst erlebt, als ich den «Bumerang» auf dem Bundesplatz vor dem Bundeshaus aufstellen wollte, was sich als nicht realisierbar herausstellte. Es gab zwei Möglichkeiten: entweder das Werk gesetzeswidrig auf dem Bundesplatz aufzustellen oder mich mit einem Randplatz an einem Quartierfest zufrieden zu geben. Ich entschied mich für das Letztere, weil ich es nicht gewohnt bin zu provozieren. Um auf die Frage zurückzukommen: Das Potential zur Nutzung des öffentlichen Raums ist also stark von Gesetzen und von der Persönlichkeit des Künstlers oder der Künstlerin abhängig. Ein Nachteil der Kunst im öffentlichen Raum besteht darin, dass sie wenig Beachtung findet, – es sei denn, sie stammt von einem bekannten Künstler, nicht zuletzt weil sie keinen kommerziellen Wert hat. Kunst, die keinen kommerziellen Wert hat, gilt als uninteressant, es sei denn es gelingt ihr zu provozieren.
Welches ist dein persönlicher Hotspot in Bern?
Mein Hotspot in Bern wäre für das Werk «Bumerang» der Bundesplatz (gewesen), allgemeiner ist es die Kunsthalle, da darin die sonst im öffentlichen Raum geltenden Regeln weitgehend ausser Kraft gesetzt werden können – mit dem Nachteil aber, dass nur sehr wenig «Öffentlichkeit» die Kunst zur Kenntnis nimmt.