Kunst-Stafette #18: Joëlle Valterio

von Magdalena Schindler 15. Juli 2014

Die Walliser Performance-Künstlerin Joëlle Valterio lockt Raumecken mit Worten aus der Reserve und formt aus beschriebenem Papier poetische Pflastersteine. 

Was hat dich zu dieser Arbeit veranlasst?

Joëlle Valterio:

Anlass für diese Arbeit war die Abschlussperformance meiner Masterarbeit an der Hochschule der Künste Bern im Bereich Contemporary Arts Practice über die Poetik der Performance. Es ist eine instant in situ-Schreibkomposition, die ich in La Voirie in Biel realisiert habe und etwa zwölf Stunden dauerte. Mit meinem Schreiben folge ich der Bewegung meiner Aufmerksamkeit. Ich schreibe mit verschiedenen Schreibwerkzeugen und auf verschiedene Unterlagen – und mit dem entstandenen Schreibmaterial komponiere ich den Raum immer wieder neu. La Voirie in Biel ist für mich ein besonderer Ort, der mir viel erzählt und meine Arbeit sehr unterstützt hat

Welchen Raum brauchst du für deine Kunst?

Ich denke und arbeite räumlich. Meine Arbeit ist meistens in situ, also im Austausch mit dem konkreten, erfahrbaren Raum und Kontext. Ecken mag ich besonders. Sie bringen mich weiter. Diese Falte zwischen zwei Wänden, sie reicht soweit und so tief man sich traut zu schauen – sie schluckt gleichzeitig ein und spuckt aus. Ich bin im Wallis, in einem Tal zwischen hohen Bergen aufgewachsen – vielleicht suche und brauche ich einfach diesen Widerstand, um weiterzukommen, daran zu wachsen, zu entkommen. Zwischenräume und Durchgangsräume ziehen mich ebenfalls an – beispielsweise Treppenhäuser, Gänge, Übergänge, Türschwellen, Fenstersimse.

Sind gesellschaftliche Fragen Thema deiner Kunst?

Ich bin der Meinung, dass ein Kunstwerk – auch indirekt oder unbeabsichtigt – immer auch als eine gesellschaftliche und politische Aussage interpretiert werden kann.   

Suchst du die Öffentlichkeit?

Publikum? Ja. Mittels Performance will ich meine Arbeit mit anderen Menschen teilen, sie in Denkräume, poetische Räume einladen – und ich möchte sie auch dazu einladen, bekannte, konkrete Räume neu zu erfahren. Ich wünsche mir, eine diskrete, einladende, nicht aufdringliche, ephemere Öffentlichkeit zu schaffen. 

Wo siehst du Potential zur Nutzung des öffentlichen Raums?

Öffentlicher Raum im Sinne von frei zugänglich und dessen Nutzung nicht vordefiniert ist? Ist ein öffentlicher Raum, dessen Nutzung festgelegt ist, dennoch wirklich öffentlich? Ich finde Zwischennutzungen und Umnutzungen interessant, weil sie die Nutzungen eines Raumes überhaupt in Frage stellen, das Vordefinierte aufwühlen, durcheinanderbringen.

Welches ist dein persönlicher Hotspot in Bern?

Jeder «spot», dem man seine Aufmerksamkeit schenkt, kann ja «hot» werden. Die Dynamik des Entstehens, Aufrechterhaltens und auch Verschwindens eines «hotspot» finde ich spannend. Das Projekt wifart an der Wylerringstrasse – die Zwischennutzung während zwei Jahren als Werkstatt, Event- und Ausstellungsraum einer Halle des ehemaligen Industriebetriebs Wifag durch das Künstlerkollektiv Andreas Wiesmann, Antonia Erni, Peter Aerni und Cécile Keller – finde ich besonders inspirierend.