Kunst-Stafette #12: Lukas Veraguth

von Magdalena Schindler 8. April 2014

Lukas Veraguth hat dem Bahnhof Stöckacker im Westen von Bern für Journal B einen Streifen Kunst verpasst. Beiläufig fordert er damit die Wahrnehmung der Passanten heraus und lässt Kunst und Alltag zusammentreffen. 

Was hat dich zu dieser Arbeit veranlasst?

Lukas Veraguth:

Es sind vorgefundene Gegebenheiten, die mich zu einer Idee für eine Arbeit inspirieren. Bei der Arbeit 14’140  war es die Fenstersituation, welche einen Ausblick auf das Dahinterliegende freigibt und zugleich das Bahnhofperron räumlich unterteilt. Die blaue Oberflächenschutzfolie und die pinke Klebefolie stammen aus meiner Folienansammlung. Sie integrieren sich in die Bahnhofsfarbigkeit mit den blauen Infotafeln und den roten Eisenträgern. Ich habe die Arbeit für die Kunst-Stafette realisiert und unterdessen schon wieder abgebaut.

Wie bist du auf den eher abstrakten Titel für dein Werk gekommen?

Die Titel meiner Arbeiten bestehen immer aus Nummern. So kann ich die Sprache umgehen, die mir für meine Arbeiten nicht nötig scheint. Die ersten zwei Ziffern stehen für das Jahr, die hinteren drei sind relativ beliebig. Es ist also eigentlich eine Archivierungsnummer, die hilft, die Werke voneinander abzugrenzen.

Denkst du, die Passanten nehmen deinen Eingriff als Kunst wahr?

Die Arbeit soll nicht als Fremdkörper aufgefasst werden, sondern eher als ein selbstverständlich vor Ort vorhandenes Element. So erwarte ich auch nicht, dass sie zwingend als Kunst betrachtet wird. Ich nehme jedoch an, dass die Leute, die hier täglich vorbeikommen, den Eingriff bemerken und natürlich auch vermissen, wenn er wieder weg ist. Die Zeit ist für mich ein zentrales Element, da das Werk eine bestimmte Lebensdauer hat und danach den Platz wieder freigibt für den ursprünglichen Zustand.

Was verändert sich durch die Dokumentation des Flüchtigen mittels der Fotografie? 

Der Ausgangspunkt des Fensters als Bild, das durch den Rahmen eine Begrenzung erhält und durch die Bewegung des Betrachters im Raum variiert, finde ich spannend. Für die Fotografie wird ein bestimmter Bildausschnitt gewählt, wodurch diese Qualität der Arbeit verloren geht. Jedoch verschmilzt durch die Zweidimensionalität der Fotografie meine Intervention besser mit dem landschaftlichen Hintergrund und das Fenster wird definitiv zum gerahmten Bild. Das bedeutet, die Arbeit funktioniert auf ganz unterschiedliche Weise vor Ort oder auf der Fotografie.

Welchen Raum brauchst du für deine Kunst?

Für Rauminterventionen brauche ich grundsätzlich keinen neutralen Raum, ein White Cube wäre dafür hinderlich. Es sind architektonische Räume oder Orte im öffentlichen Raum, die Spuren und Eigenheiten aufweisen, da der Raum mit seinen Gegebenheiten der Ausgangspunkt für die Ideenfindung einer Arbeit ist.

Sind gesellschaftliche Fragen Thema deiner Kunst?

Ja, auf der visuellen Ebene. Durch die Beschäftigung mit funktionalen Gestaltungen aus dem öffentlichen Raum oder dem Alltag, welche ich in meine Kunstwerke übernehme, reflektiere ich die gestalterischen Codes unserer Gesellschaft.

Suchst du die Öffentlichkeit?

Die Öffentlichkeit ist ein wichtiger Bestandteil. Das Spannende ist, dass jeder Betrachter seine individuelle Zugangsweise zu einer Arbeit hat. Gerade bei der Arbeit 14’140 ist die Öffentlichkeit im Alltag mit der Arbeit konfrontiert, ohne dass das Werk als Kunst mit Werkangaben deklariert ist, was den Interpretationsspielraum noch erweitert.

Wo siehst Du Potential zur Nutzung des öffentlichen Raums?

In Bezug auf die Kunst sehe ich grosses Potential. Viele Orte im öffentlichen Raum haben eine bestimmte Funktion, andere sind eher funktionslos. Die Kunst kann dies hinterfragen und reflektieren. Durch Kunst im öffentlichen Raum werden Leute, die sich im öffentlichen Raum bewegen, automatisch mit Kunst konfrontiert, ohne dass ein Innenraum betreten werden muss, der als Kunstraum bereits die Kunst vom Alltag separiert.

Welches ist dein persönlicher Hotspot in Bern?

Das ist der Westen von Bern, besonders das Stöckackerquartier mit dem Europaplatz als öffentlichem Platz unter der Autobahnbrücke, dem «Weyerli» als ausbetoniertem See und dem alten Loeblager, einem Gebäude der Kunstproduktion.