Kunst-Stafette #05: Anabel Sarabi

von Magdalena Schindler 17. Dezember 2013

Wie Ausserirdische sind Anabel Sarabi und ihr KünstlerInnenkollektiv im September im Berner Stadtraum gelandet. Unter dem Namen WORMS präsentierten sie eine Langzeit-Performance, die mit Fragen nach Fiktion und Realität zum Mitreden aufforderte.

 

Was hat dich zu dieser Arbeit veranlasst?

Anabel Sarabi:

Die im Bild festgehaltenen Kunstaktionen sind im Rahmen von «WORMS: A collective individual #1 Rerun of an invasion» entstanden. Das Kunstprojekt wurde von Andreas Egli, Anna Bürkli (der Leiterin der Stadtgalerie Bern) und mir initiiert und involvierte um die 30 KünstlerInnen. «WORMS: a collective individual» existiert bereits seit Beginn des 20. Jahrhunderts und reicht bis in die Zukunft hinein. Während seiner Existenz taucht es in verschiedenen Künstlerkollektiven und -gruppen auf. Die letzte Spur vor dem Wiederauftauchen von WORMS im Frühling/Sommer 2013 in Bern, lässt sich in Mexico City ausfindig machen. Namentlich waren es die Viszeralen Realisten aus dem Roman «Die Wilden Detektive» von Roberto Bolaño, die dort die letzte Ausgabe der WORMS-MEMOIREN herausgegeben haben.

Auf dieser Grundlage arbeiten die aktuellen Mitglieder von WORMS, Personen aus Deutschland, der Schweiz, Grossbritannien, Südafrika, USA und Indien daran, die Grenzen zwischen Individuum und Kollektiv, zwischen Gegenwart, Zukunft und Vergangenheit, zwischen Erinnerung, Vorahnung und Déjà-vu auszuloten. Arbeiten und Instruktionen werden untereinander weitergegeben. Performance-Skripte aus der Vergangenheit werden neu aufgeführt. Dokumente aus der Vergangenheit werden in neue Kontexte gebracht und mit Dokumenten aus der Gegenwart vermischt. Schliesslich werden Fakten über die Stadt Worms mit Fakten über Bern und später auch andere Orte zusammengeführt. WORMS schleust sich durch Zeiten und Räume. Die gegenwärtigen Aktivitäten von WORMS beinhalten Performances im öffentlichen Raum und in Institutionen, in den digitalen Medien und erscheinen als Printmedien. Insbesondere die Publikation der kollektiven Memoiren spielt dabei eine wichtige Rolle.

Die zwei auf den Fotos dargestellten Performances wurden 2013 realisiert. Das «WORMS Pamphlet» wurde von Wanda Growe und Nora Hansen konzipiert und wurde mit verschiedenen KünstlerInnen der Gruppe und durch konkrete Texte und Kontexte Berns erweitert und an verschiedenen Orten in Bern (darunter Zufahrt des Kursaals Bern, Kunsthalle Bern, Post am Bärenplatz) vorgetragen. Die Performance mit dem Titel «Denn das Meer verzeiht keinem» integriert verschiedenste Zurückweisungstexte anonymer Autoren und wird von Lady la Boost vor der Mauer der kantonalen Polizeiwache in Bern am Waisenhausplatz vorgelesen, während die Zuschauer das Geschehen von den Fenstern der Stadtgalerie aus beobachten.

Welchen Raum brauchst Du für deine Kunst?

Und welcher Raum braucht mich und wie? Diese Frage stelle ich mir jedes Mal immer wieder neu. Dabei gibt es für mich verschiedene Zuschreibungen, die sich meist auch überlagern: Ausgangspunkt, Denkraum, zu gestaltender Raum, Schutzraum, Präsentationsort, Rückzugsort, Treffpunkt, Ort der Veröffentlichung, Schnittstelle, Möglichkeitsraum und Handlungsraum. Da spielen jedes Mal viele verschiedene Parameter zusammen: es sind zum einen die historischen, sozialen, architektonischen, städtebaulichen und geographischen Aspekte und zum anderen meine eigenen Ideen und Visionen, die zu einer künstlerischen Setzung in einem Raum respektive an einem spezifischen Ort führen.

Sind gesellschaftliche Fragen Thema deiner Kunst?

Mit künstlerischen Setzungen und Rahmungen versuche ich zumindest gesellschaftliche (Rahmungs)prozesse zu reflektieren und mit ihnen in Interaktion zu treten. Ob Kunst Handlungen provozieren kann, die wiederum zu gesellschaftlichen Veränderungen führen, ist eine Frage, die in meinem Umfeld oft verhandelt wird – in Gesprächen und Kunstaktionen.

Suchst du die Öffentlichkeit?

Klar, Öffentlichkeit muss hergestellt werden! Das ist notwendig, um die Dinge überhaupt zu verhandeln. 

Wo siehst Du Potential zur Nutzung des öffentlichen Raums?

Dass Kunst sich als selbstbewusster Handlungsakteur versteht, der sich ganz selbstverständlich in Fragen und Konflikte zur Aufteilung unseres Lebensraums einbringt, wünsche ich mir für die nächsten Jahre. Zusehends gibt es das Problem, dass Kunst sich zum Spielball von Gentrifierzungsmassnahmen machen lässt. Das soll nicht heissen, dass nun alle KünstlerInnen nur im so genannten White Cube arbeiten sollen, im Gegenteil: Ich will keinen Rückzug. Aber eine sehr bewusste und selbstkritische künstlerische Praxis im Kontext von so genannten «öffentlichen» Räumen ist tatsächlich sehr notwendig. 

Welches ist dein persönlicher Hotspot in Bern?

 Das Hallen- und Freibad Weyermannshaus in Bern-Bümpliz.