Eine sechste Quartierkommission
QUAV4 beschränkt sich auf die Diskussion der wahrscheinlichsten Variante, der Fusion von Bern und Ostermundigen. Die Erfüllung der Partizipationsansprüche für die Bevölkerung wäre am Einfachsten mit einer weiteren Quartierkommission nach ‚Berner Modell‘ zu erfüllen – zum gleichen Schluss kommen auch die Autoren der Studie. Es gäbe dann sechs, anstelle der bisher fünf Quartierkommissionen. Die Einwohnerzahl von Ostermundigen ist mit 18’000 etwas kleiner als diejenige des Stadtteils II Länggass-Felsenau. Eine QuKo Ostermundigen ist deshalb eine naheliegende und einfach zu regelnde Lösung.
Renovationsbedarf
Allerdings ist das seit 1977 gewachsene Konstrukt der Quartierkommissionen mit diversen Mängeln und Ungleichheiten behaftet sei und sollte bei dieser Gelegenheit renoviert werden. Seinerzeit wurden jegliche Regelungsdetails zwischen Stadt und Quartierkommissionen vom Parlament mit der Absicht so hoch angesiedelt, das Wirken der QuKo unter engster parlamentarischer Fuchtel zu halten. Das einstige Misstrauen scheint heute, angesichts der ständig wachsenden Fülle und Diversifizierung der Aufgaben, nicht mehr gerechtfertigt.
Deshalb wäre eine stufengerechte Regelung zwischen Stadt und Quartierkommissionen einzuführen – z.B. mittels Leistungsverträgen. Das heisst, die Entfernung aller Detailregelungen aus dem Reglement über Politische Rechte RPR. Dieses kann nämlich nur durch Volksabstimmung geändert werden, was die Aufgabendefinierung behindert und unflexibel macht. Als zweites ortet QUAV4 in Übereinstimmung mit den anderen Quartierkommissionen einen Mangel an einheitlichen, und gemeinsam definierte Kriterien zur Abgeltung der professionell zu führenden Geschäftsstellen, z.B. mit einem Rahmenpflichtenheft.
Auch die Verteilung der Mittel müssen nach gemeinsamen Kriterien, die spezielle Charakteristika der Stadtteile berücksichtigen (Grösse, Migrationsanteil, Voraussetzung zur Erfüllung der Informationspflicht, etc. etc.), neu und gerechter definiert werden.
Chancen für gemeinsame Siedlungsentwicklung?
Die nachbarlichen Erfahrungen der QUAV4 unterstützen die Sicht, den Osten Berns und die Gemeinde Ostermundigen als funktionalen Raum zu betrachten. Nicht nur der fast schon historische Zankapfel Schermenweg, sondern gerade auch der Umgang mit Siedlungs-, Verkehrs- und Freiräumen könnten gemeinsam sicher effizienter und konstruktiver angegangen werden. Als Illustration einige Beispiele der letzten Jahre, wo der Dialog zwischen Stadtteil IV und Ostermundigen nicht direkt, sondern bestenfalls über behördliche Kanäle lief: Durchgehende Grünzüge Rosengarten – Allmenden – Bantiger, Konflikte durch schlecht geregelte Erschliessung von Gewerbezonen, die Topthemen Tram und Mobilitätshub Ostermundigen, die benachbarten Hochhäuser Bärenareal und Swisscom samt ihrem Umraum. Velorouten und Fussgängerverbindungen enden bekanntlich meist auch nicht an der Gemeindegrenze, und last not least die verkehrlichen Grossprojekte Wankdorf – Bypass und deren zu koordinierende Auswirkungen auf die Wohnquartiere ….
Soziale Infrastruktur
Noch ungenügend spiegeln sich im Bericht soziale Themen und der Umgang mit der sozialen Infrastruktur wider. Während Bern vom Wachstum der letzten Jahre finanziell profitieren konnte, weil gutverdienender Mittelstand die Stadt sucht, führte die verstärkte Neubautätigkeit zu einem generell steigenden Mietzinsniveau, das finanziell schwächere Schichten zum Ausweichen zwingt. Ostermundigen bietet sich mit seiner veralteten Wohnbausubstanz in nächster Nähe und bestens mit ÖV erschlossen, als Ausweichort für Studenten, Alleinerziehende und Neueinwanderer etc. geradezu an. Zitat Bund: „Ostermundigen ist das neue ‚Arbeiterquartier‘ Berns geworden. Doch Schulhäuser und ärmere Menschen belasten die Gemeindekasse stark.“ Gerade in Bezug auf funktionale Sozialräume ist die Studie rasch zu präzisieren und sind z.B. Schulstandorte und andere öffentliche Einrichtungen und deren Einzugsgebiete zu überprüfen.
Fazit: Sicher wird Bern als Ganzes langfristig von diesem politischen Projekt profitieren: es wird diverser und gesellschaftlich pluralistischer. Und gemeinsam lassen sich siedlungsplanerische Themen wie Verdichtung und Aufwertung in Wohnquartieren, öffentliche Infrastruktur oder Entwicklung der Gewerbezonen etc. zum Nutzen beider Partner besser koordinieren. Es ist sehr zu befürworten, dass – in Abwandlung von Willi Brandts berühmtem Zitat – zusammenwachsen soll, was zusammengehört!