Kommunikation auf Augenhöhe – SIBA VII

von Luca Hubschmied 1. November 2016

Die Ökonomische Gemeinnützige Gesellschaft Bern (OGG) vernetzt Stadt und Land, Schwächere und Stärkere. Sie versucht, Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund und Interessen an einen Tisch zu bringen.

«Wir sind keine intellektuelle Wolkengusler-Organisation», meint der Geschäftsführer der OGG, Franz Hofer. Zwar brauche es auch das intellektuelle globale Denken, aber letztendlich entscheidend sei das lokale Handeln, der Mut, etwas zu wagen und auch mal ein Risiko einzugehen: «Nur so gelingt es, Innovation zu betreiben.» Die OGG engagiert sich dafür in verschiedensten Bereichen. Geschichtlich gesehen definierte sie sich stark über die Ernährungsfrage und noch heute ist das Thema Ernährung und Ressourcennutzung breit vertreten, wenn auch in einem anderen Rahmen. «Heute sind die gesellschaftlichen Herausforderungen im Bereich Ernährung ganz andere: Wieviel Kulturland haben und brauchen wir? Momentan kann alles günstig importiert werden, da ist die Versuchung gross, zu sagen, es brauche gar keine Landwirtschaft mehr in der Schweiz», erläutert Franz Hofer.

Nicht mal ein Holpern

Angesprochen auf die oft thematisieren Mentalitätsunterschiede zwischen urbanen und ruralen Gebieten relativiert Hofer: «Bei unserer Arbeit ist der Stadt-Land-Graben im Hintergrund, das ist eher ein abstraktes Konstrukt. Wenn ich täglich vom Emmental in die Stadt fahre, dann spüre ich nicht mal ein Holpern.» Im Raum Bern übernimmt die OGG mittlerweile eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, Projekte zu unterstützen, die die Verschwendung von Lebensmitteln reduzieren. Als Mitinhaberin der Äss-Bar an der Marktgasse hilft sie konkret mit, nicht verkaufte Backwaren an den Mann und die Frau zu bringen. Simon Weidmann, der die Idee der Äss-Bar von Zürich nach Bern bringen wollte, wurde zu diesem Zweck von der OGG angestellt. Diese Fokussierung auf das Projekt schien sich zu lohnen, die Äss-Bar darf sich mittlerweile grosser Bekanntheit rühmen und läuft gemäss Franz Hofer erfreulich gut.

Leben in der Gesellschaft

In diesem Frühjahr erhielt ein Engagement der OGG den Sozialpreis der Burgergemeinde Bern. Diese würdigte das Projekt «Betreutes Wohnen in Familien» für die Schaffung eines in der Schweiz einmaligen Angebots: Als Alternative zu einer Heimplatzierung werden betreuungsbedürftige Erwachsene in einer Gastfamilie aufgenommen und können so im Rahmen ihrer Möglichkeiten weiterhin ein in die Gesellschaft integriertes Leben führen. Das Projekt ist bald zwanzig Jahre alt und deckt ein sehr aktuelles Bedürfnis ab. «Es gibt immer mehr Menschen, die Betreuung brauchen. Was früher ehrenamtlich im Privaten organisiert wurde, fällt immer mehr zu finanziellen Lasten der allgemeinen Bevölkerung», erklärt Franz Hofer, «gleichzeitig hat man in ländlichen Familien strukturierte Tagesabläufe und sachlich funktionierende Einheiten. Unser Ziel ist es, diese beiden Situationen optimal zu kombinieren.»

Ein Knoten im Netzwerk

Im 18. und 19. Jahrhundert galt die OGG als dritte Macht im Staat, nebst Regierung und Kirche. Diese Konstellation hat sich natürlich massiv gewandelt und auch Franz Hofer spricht von einer anderen Rolle der OGG: «Heute reden wir von einem Netzwerk und wir sind ein Knoten davon. Damit das funktioniert, müssen alle auf gleicher Augenhöhe miteinander kommunizieren und das Hierarchiedenken beiseiteschieben.» Dazu arbeitet die OGG beispielsweise mit dem Verein foodwaste.ch zusammen und verleiht einmal im Jahr den OGG-Award um innovative Geschäftsideen zu würdigen. Hinter so viel Engagement muss eine gehörige Dosis Motivation stecken und man glaubt Franz Hofer aufs Wort, wenn er erzählt, dass sein Job weit mehr als ein Broterwerb sei: «Wir haben eine sehr sinnvolle, sinnstiftende Arbeit. Alle sprechen von der Work-Life-Balance, doch dieses Konzept stimmt für mich nicht: Für mich ist die Arbeit ein Teil des Lebens, aber das Leben muss auch noch andere Teile beinhalten.»