Klimabalkone statt Geranien?

von Sabine Reber 18. Juni 2021

Die Stadt Bern ruft dazu, auf Klimabalkone anzulegen. Gut gemeint, doch wie sinnvoll ist die Aktion?

In der Stadt Bern sollen diesen Sommer tausende von sogenannten Klimabalkonen die guten alten Geranien verdrängen. Die grossangelegte Aktion von Stadtgrün Bern zusammen mit dem Botanischen Garten (Boga) und der Universität ist sicher gut gemeint. Und die Frage, wie wir mit Pflanzen auf dem Balkon das Klima günstig beeinflussen können, ist in der Tat interessant. Denn Pflanzen spenden nicht nur Schatten, sie verdunsten auch Wasser, und tragen damit zur Kühlung der Luft bei. Soweit, so klar. Nun ruft die Aktion Klimabalkon aber ausdrücklich dazu auf, nur noch sogenannt „einheimische“ Pflanzen zu verwenden und rät direkt von der Pflanzung der klassischen Geranien ab. Vorgeschlagen werden stattdessen explizit Klee, Brennnesseln, Mohnblumen, Glockenblumen und Schafgarben.

Aber mit Verlaub, Mohnblumen haben nicht wahnsinnig viel Laub, mit dem sie Wasser verdunsten könnten. Und sie sind rascher verblüht, als wir ein Bier kaltgestellt haben. Glockenblumen haben auch nicht viel Laub, und blühen nur kurz. Schafgarben blühen ein bisschen länger, aber auch ihr Laub fällt eher spärlich aus. Klee und Brennnesseln auf dem Balkon… naja. Also Brennnesseln hatte ich auch schon in einem grossen Kübel. Die sind noch praktisch als ewig nachwachsendes Spinatgemüse. Aber ob sie punkto Ästhetik wirklich die Geranien ersetzen können? Ich habe da so meine Zweifel. Und über den Klee möchte ich im Zusammenhang mit Balkonbepflanzungen eigentlich gar nicht nachdenken. Klee ist für die Kühe, nicht für den Balkon. Ausserdem riecht er ziemlich penetrant… also merci, ich möchte keinen Klee neben dem Liegestuhl haben.

Um einen Balkon wirklich zu kühlen und Schatten herbeizuzaubern, würde ich vorschlagen, grundsätzlich zu deutlich grösseren Gewächsen zu greifen. Feuerbohnen und Hopfen sind super – sie bilden grüne Wände, die auch tatsächlich Schatten spenden. Dornenlose Brombeeren sind für diesen Zweck ebenfalls bestens geeignet. Sonnenblumen in grossen Kübeln sind gut. Und natürlich Balkonbäume, Säulenäpfel, Feigenbäume, und wenn der Platz reicht gerne auch andere Bäume, einfach was einem gefällt. Aber auch grosse blühende Exoten wie Oleander oder Wandelröschen bilden viel mehr Laub zur Luftkühlung als die vorgeschlagenen „Einheimischen“ und sind gute Schattenspender. Und ja, auch Geranien haben recht ordentlich viel Laub, und tragen damit zur Kühlung der Luft bei.

Ich würde also vorschlagen, das eine zu tun, und das andere nicht zu lassen. Auf einem biodiversen Balkon können ruhig klassische rote Geranien neben Küchenkräutern und meinetwegen noch ein paar Schafgarben oder auch Mohnblumen wachsen. Die Mischung macht’s! Und nein, Geranien schaden den Bienen nicht. Es ist einfach so, dass viele Geranienzüchtungen keinen Nektar haben und darum keinen direkten Nutzen bieten für die Bienen. Wenn aber daneben noch Thymian, Oregano, Salbei und Lavendel und andere Bienenpflanzen wachsen, dann ist für alle etwas da.

Und generell: ausländische Pflanzen schaden nicht der Biodiversität. Im Gegenteil – sie tragen ja eben gerade zur Vielfalt bei, so wie wir das von einer multikulturellen Gesellschaft auch kennen. Und dann ist noch das Thema Blütenzeiten und Bienen anzusprechen. Die meisten einheimischen Pflanzen blühen nämlich im Frühsommer. Und nachher ist da nicht mehr viel. Darum sind gerade die Imker froh, wenn später im Sommer die sogenannt ausländischen Pflanzen übernehmen. Den Bienen ist die Herkunft eines Gewächses nämlich ziemlich egal. Wichtig ist diesbezüglich die Frage nach dem Nektar. Und das hat mit der Blütenform der jeweiligen Sorte zu tun. Grundsätzlich haben vor allem gefüllte Züchtungen meist keinen Nektar. Einfache Duftgeranien hingegen haben sehr wohl Nektar und werden gerne von Bienen besucht, obwohl sie wie die klassischen Pelargonien auch aus Südafrika stammen.

Die Frage sollte also nicht zuerst nach der Nationalität einer Pflanze lauten, sondern nach ihrem Nutzen für die von uns gewünschten Zwecke: Spendet diese Pflanze Schatten und wenn ja, wie viel? Ist sie einigermassen robust und gedeiht am gewünschten Standort? Hat sie viel Laub, das viel Wasser verdunsten kann zur Kühlung der Luft? Bietet sie Nektar für Bienen, Hummeln, Schmetterlinge? Hat sie weiteren Nutzen für Insekten, als Raupenfutter, als Versteck, oder bietet sie Samen für die Vögel? Und zuletzt, damit wir das nicht ganz vergessen: Gefällt mir diese Pflanze? Sieht sie hübsch aus auf meinen Balkon? Wir Menschen sollen uns ja dann ob all der Biodiversität auch noch ein bisschen wohl fühlen in der Stadt.