Kleiderparadies für Schnäppchenjägerinnen

von Naomi Jones 17. November 2015

Tauschbörsen für Frauenkleider sind im Trend. Im Quartiertreff Wittigkofen hat am letzten Samstag eine solche Börse stattgefunden. Journal B hat sich umgeschaut.

Chantal Zimmermann hat sich ein exzentrisches Outfit ausgesucht: oranger Hut, türkisblauen Blazer, einen schwarzen Minirock zu blauen Leggins mit Schlangenmuster und Stiefeln. Damit wird die Helferin an der Tauschbörse für Frauenkleider «Fairkleiden» im Quartiertreffpunkt Wittigkofen als Model über den Laufsteg gehen. Eine Modeschau mit Secondhand-Kleidern soll die Börse eröffnen. Vorerst üben ein paar Frauen und Mädchen den Catwalk.

«Wir wollten einen Treffpunkt für Frauen aus verschiedenen sozialen Schichten und Kulturen und ein Bewusstsein für nachhaltigen Umgang mit Kleidern schaffen.»

Sandra Gonzalez, Gründerin von «Fairkleiden»

Bei der Kleiderannahmestelle stehen bereits die ersten Besucherinnen. Sie geben gebrauchte Kleider ab und erhalten dafür Gutscheine, die sie gegen andere Kleider eintauschen können. Die meisten Frauen bringen sackweise Kleider mit. Helferin Jasmin nimmt die Taschen entgegen und händigt die Bons aus. Helferin Juliane sortiert die Kleider. Einige haben Flecken. Juliane wirft sie weg. Dicke Pullover und warme Jacken legt sie zu den Kleidern, die für Flüchtlinge auf der Balkanroute bestimmt sind. Die andern hängt Juliane an Kleiderbügel. Schon sind weitere Helferinnen zur Stelle und hängen die Kleider nach Art und Farbe getrennt an Kleiderständer im grossen Mehrzweckraum mit Bühne.

Flüchtlingsfrauen sind eingeladen

Punkt zwei Uhr gehen die Türen auf und die wartenden Frauen strömen herein. Unter ihnen ist Eveline Zingg. «Ich war letzte Woche schon in Wabern an einer Frauenkleiderbörse», erzählt die 61-jährige. Es habe ihr dort so gut gefallen, dass sie gleich noch einmal an eine kommen wollte.

Noch hindern rote Absperrbänder die Frauen daran, die aufgehängten Kleider von nahe anzuschauen. Die Soundanlage auf der Bühne besteht aus einem Computer und einem Ghettoblaster. Steff la Cheffe beginnt zu rappen: «I bruche nöii schue, i bruche es gucci-täschli.» Chantal Zimmermann und die andern Laienmodels zeigen nun ihre Secondhand-Outfits. Zum Schluss der kurzen Show zerschneiden sie die roten Bänder vor den Kleiderständern, und das grosse Wühlen beginnt.

Drei Frauen aus Eritrea sitzen auf der Treppe zur Bühne. Sie zeigen einander die Schuhe und Jacken, die sie gefunden haben. Die Frauen wohnen im Asylzentrum in der alten Feuerwehrkaserne Viktoria.  Martina Zenhäusern, Organisatorin der Tauschbörse, hat die Flüchtlingsfrauen, die im Zentrum Viktoria leben, eingeladen und ihnen Kleidergutscheine geschenkt. Sie freue sich, sagt Martina Zenhäusern, dass alle eingeladenen Frauen gekommen seien.

Kaffeebar für die Männer und Malatelier für die Kinder

Auf der Bühne sitzen fünf Schneiderinnen an Tischen. Bei ihnen können die Frauen ihre Secondhand-Kleider gratis anpassen lassen. Noch warten sie auf Arbeit. Aus dem Ghettoblaster singt nun Nina Hagen: «Simon de Beauvoir sagt Gott bewahr.»

«Nach zwei Stunden beginnen die, die länger bleiben, das Stöbern zu geniessen.»

Martina Zenhäusern, Organisatorin von «Fairkleiden»

Sandra Gonzalez hat die Frauenkleiderbörse «Fairkleiden» vor zwei Jahren zusammen mit zwei Kolleginnen vom Trägerverein für offene Jugendarbeit (Toj) ins Leben gerufen. «Wir wollten einen Treffpunkt für Frauen aus verschiedenen sozialen Schichten und Kulturen und gleichzeitig ein Bewusstsein für nachhaltigen Umgang mit Kleidern schaffen», erzählt sie. An der Börse sind somit nur Frauen und grössere Mädchen willkommen. Für die Männer haben die Organisatorinnen eine Kaffeebar eingerichtet. Doch es sind keine Männer gekommen und Belinda Saner sitzt allein draussen vor Adriano‘s Piaggio. Hingegen findet das Kinderatelier rege Nachfrage. Bettina Fuhrer von der Dachstelle für offene Arbeit mit Kindern (Dok) gibt ein paar Buben und Mädchen Bastelmaterial, während ihre Mütter ein passendes Kleid suchen.

Laufend kommt Nachschub

Etwa 300 Frauen sind nun da. Zum Teil ist es schwierig, an die Kleiderständer heran zu kommen. Die Frauen müssen drängeln. Arta Imerai will deshalb warten, bis der erste Ansturm vorüber ist. Ihre Tochter Leonita hat aber bereits drei Paar Schuhe gefunden, die sie nun anprobiert. Das erste Paar Stiefel ist zu gross, das zweite zu klein und die High Heels sind zwar schön, passen aber auch nicht. Die Mutter bringt die Schuhe zurück.

Nach etwa eineinhalb Stunden wird die Stimmung ruhiger. Ein Teil der Frauen hat sich mit Kleidern eingedeckt und zahlt sie am Ausgang mit den Gutscheinen, die es für die abgegebenen Kleider gegeben hat. «Nun beginnen die, die länger bleiben, das Stöbern zu geniessen», erklärt Martina Zenhäusern. Die Frauen merkten mit der Zeit, dass die Kleiderständer immer wieder aufgefüllt würden und sie sich Zeit lassen könnten. Eveline Zingg hat eine helle Sommerjacke anprobiert, aber wieder zurückgelegt. Nun steht sie zwischen zwei Kleiderständern. «Ich glaube, diese graue Bluse wird mein neues Stück sein. Sie passt zu meiner  Hose», sagt sie und hält die Bluse nochmals prüfend ins Licht.