«Klar, ich bin auch ein Lobbyist»

von Matthias Aebischer 17. Juni 2015

Im sechsten Web-Talk mit Journal B äussert sich SP-Nationalrat Matthias Aebischer zur neuen Kulturbotschaft, zur Markwalder-Affäre und zum FIFA-Skandal. Und er erklärt, warum seine neuen Schuhe den Wahlkampf nicht entscheiden werden.

In der Sommersession wurde die Kulturförderung substanziell erhöht. Überrascht über die plötzliche Kulturfreundlichkeit des Nationalrates?

Matthias Aebischer:

Ich habe gezittert. Denn nach dem Sparschwur der bürgerlichen Parteien, dem so genannten «Schulterschluss», glaubte ich, dass dieses Bündnis bei der Kulturbotschaft zum ersten Mal zum Tragen kommt. Zum Glück war dem nicht so. Ich bin froh, dass der «Schulterschluss» eher ein «Schulterschuss» ist.

Von den 1,12 Milliarden Franken für die nächsten fünf Jahre bekommt der Film die grösste Tranche, 254 Millionen. Das dürfte Dich als Cinésuisse-Präsidenten besonders freuen?

Klar freut mich das. Es gilt jedoch zu sagen, dass der Film auch die einzige Kultursparte ist, die in der Verfassung explizit erwähnt wird. In die Produktion fliessen übrigens 30 Millionen im Jahr. Der Rest geht in die Filmarchivierung, zu den Festivals oder in die Promotion.

Man darf schon sagen, Du bist der Film-Lobbyist im Bundeshaus?

Ich bin Präsident des Film-Dachverbandes. So bin ich auch ein Film-Lobbyist. Ich stehe dazu und bin auch sehr transparent. Bei meinen Interessensbindungen, auf meiner Website und auch im Rat. Dort habe ich auf Anfrage gleich erklärt, welches Honorar ich als Cinésuisse-Präsident erhalte.

Und?

1000 Franken im Monat. So steht es auch im Protokoll.

Gemäss Medien hat auch Lobbyistin Marie-Louise Baumann, bekannt aus der Affäre Markwalder, im Auftrag von Cinésuisse mitgewirkt. Was war ihr Anteil am Erfolg und wird sie ihr Mandat behalten?

Marie-Louise Baumann arbeitete viele Jahre für Cinésuisse. Sie hat das immer sehr gut gemacht. Ihr Vertrag lief mit der Erneuerung der Kulturbotschaft aus. Er wird in Absprache mit ihr nicht mehr erneuert.

Etwas noch: Du hast während der Kultur-Debatte SVP-Nationalrat Peter Keller das Kinderbuch «Frederick» geschenkt. Die Medien haben das prominent aufgenommen. Was wolltest Du damit bezwecken?

«Frederick» ist das Buch von der Maus, die angeblich als einzige nicht arbeitet. Im Winter jedoch, wenn die Vorräte zu Ende sind, erzählt sie wunderbare Geschichten und lässt die Mäuseschar erfahren, dass es noch etwas anderes auf der Welt gibt als Fressen und Arbeiten. Für mich ist das Buch stellvertretend für die Kulturdiskussion. Ich habe Keller das Buch geschenkt, damit er erfährt, um was es bei dieser Debatte überhaupt geht.

Eine andere Debatte gab es um den Fall Markwalder. Du hast hier im Web-Talk einmal gesagt: «Jeder hat eine Leiche im Keller.» Dachtest Du an so etwas?

Ja, das geht in diese Richtung. Niemand, wohl auch nicht Christa Markwalder selbst, hätte vor dieser Affäre geglaubt, dass so etwas Angriffsfläche für eine Riesengeschichte bietet. Ganz nach dem Motto: Und plötzlich ist man selbst die Sau, die über den Hof gepeitscht wird.

Christa Markwalder dürfte der FIFA dankbar sein. Die FIFA-Geschichten haben den Fall Markwalder verdrängt.

Das kann man wohl sagen. Und im Gegensatz zur Markwalder-Geschichte steht die FIFA-Geschichte ja erst am Anfang. Du als ehemaliger Sportjournalist glaubst ja sicher auch, dass wir noch viel über die Machenschaften innerhalb der FIFA oder zur Korruption um die Vergabe von WM-Endrunden und während Präsidentschaftswahlen erfahren werden. Die Dramaturgiekurve zeigt steil nach oben.

Die Leute dürften kaum erschrocken sein. Dies war der breiten Öffentlichkeit doch bekannt?

Viele glaubten wohl, dass es so ist. Jetzt kommen aber die harten Fakten auf den Tisch. Es ist höchste Zeit.

Hast Du kürzlich neue Schuhe gekauft?

Hä?

Im Stil-Check des «Sonntags-Blick» bist du für deine Schuhe kritisiert worden…

Aha, ja. Das gehört zum Business. Bis zu den Wahlen erscheinen wir Politikerinnen und Politiker fast wöchentlich in einem Ranking. Mal geht es um Kleider, mal geht es um Anzahl Vorstösse, mal geht es um Wahlchancen. Um Inhalte geht es in diesen Rankings fast nie. Aber das gehört zum Business. Ich bin mir das als ehemaliger Fernsehmoderator gewohnt.

Ein bisschen eitel ist man als Politiker ja schon. Das Bild, das man abgibt, ist ja gerade bei Wahlen sehr wichtig.

Sicher. Aber, das Bild, das man in den letzten vier Jahren gesamthaft abgegeben hat, korrigiert man jetzt nicht noch hurtig vor den Wahlen.

Was ist eigentlich im Abstimmungskampf deine Zielgruppe?

Die 50 Prozent der Wählerinnen und Wähler, die an die Urne gehen. Das tönt jetzt etwas banal. Aber bei Aktionen, Werbungen oder Anlässen überlege ich immer wieder, ob ich jetzt eher diese 50 Prozent anspreche oder nicht. Das ist eine recht spannende Frage, finde ich.

Die Stadt macht nur knapp 10 Prozent der Stimmkraft im Kanton aus. Beeinflusst das dein Verhalten?

Ich überlege mir nicht, ob ich für den Mittelstand und die ärmeren Leute auf dem Land oder in der Stadt kämpfen soll. Das ist mir völlig Wurscht. Ich bin auf dem Land aufgewachsen und lebe heute in der Stadt. Diese Stadt-Land-Diskussion geht an mir vorbei.