«Kirchenkommunikation ist Knochenarbeit»

von Rita Jost 27. Juli 2023

B-Kanntschaft Kirche und Kommunikation waren ein Leben lang seine Themen. Nebst vielen anderen. Nun wird Karl Rechsteiner pensioniert. Wie soll das gehen?

Der Mann ist wenige Tage vor seinem letzten Arbeitstag auf der Kommunikationsstelle der Katholischen Kirche Bern immer noch voll im Schuss. Ein Gesprächstermin ist kaum zu finden. Videoaufnahmen in der Bruder-Klaus-Kirche, dabei-sein beim Stolpersteine-setzen in der Altstadt, dazwischen private Termine mit dem Sohn, die Wohnung des kürzlich verstorbenen Vaters muss geräumt werden… Und dann war da noch die Feier für den «Übergang ins Pensionsalter». Jahrelang hat er diesen Anlass medial begleitet – nun war er selber Teilnehmer. «Witzig» sei‘s gewesen, die Interviewerin hört heraus «auch etwas befremdlich».

Wir sind schon mitten im Gespräch, das nun eben am frühen Morgen stattfinden muss. Kein Problem. Rechsteiner ist zu jeder Tageszeit gesprächig. Sieben Jahre war er Leiter der Kommunikationsstelle der Katholischen Kirche Region Bern. Umtriebig, kreativ, oft auch anstrengend und herausfordernd für seine Mitmenschen. «Es war», stellt er lachend fest, «tatsächlich meine längste Festanstellung, vorher war ich ja fast immer selbständig tätig.» Sein PR-Büro habe aber oft kirchliche Medienarbeit geleistet «für Reformierte und Katholiken selbstverständlich».

«Aber ich machte selten klassische Werbung für die Kirche», beeilt er sich zu sagen. Er bevorzuge den Begriff Public Relations, das bedeute Beziehungen pflegen, Vertrauen schaffen, informieren, «oft auch journalistisch arbeiten.» Rechsteiner bezeichnet sich deshalb gerne spasseshalber als «Schreiberling». Und erzählt, dass ihn einmal einer abschätzig so genannt habe. Rechsteiner fand die Bezeichnung ganz passend und führte sie daraufhin eine Zeitlang sogar auf seiner Visitenkarte.

Ein Themensetzer

Schreiben ist aber bei weitem nicht das einzige, was diesen Mann leidenschaftlich umtreibt. Er ist auch Musiker, Confiseur (mit eigener Schoggiproduktion und einem SchokoLaden im Emmental!), Stadtführer (mit Schwerpunkt Kolonialgeschichte) und immer wieder «Themensetzer». Wenn ihn ein Thema packt, dann lässt es ihn nicht mehr los. Das war schon in jungen Jahren so. In der Jungwacht war der Stadtberner Giel aktiv bei der Abschaffung der Uniform in dieser Jugendorganisation, dann auch bei der Lancierung der Spielbusse und dem Aufbau einer Kindernachrichtenagentur. Später kamen Engagements für ökologische und soziale Projekte dazu, etwa für die WG Weierbühl, den «Drahtesel» oder international für die Entwicklungsgenossenschaft «Oikocredit». Zwei Bücher hat er geschrieben zum südlichen Afrika. Dort  hat er heute noch viele Freunde, mit denen er in regelmässigem Kontakt steht. «Ich muss dort ganz bald wieder hin,» sagt er. Kein Zweifel, dass er schon Pläne schmiedet.

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Doch zurück zur Kirche. Warum hat sich Rechsteiner ein Leben lang für Kirchenkommunikation eingesetzt? Prägend sei für ihn in den Achzigerjahren der Kampf für das offene Haus «La Prairie» gewesen. Als junger, aufmüpfiger Kritiker des kirchlichen Establishments und begeisterter Anhänger der Befreiungstheologie habe er sich damals engagiert gegen das Grossprojekt zur Überbauung des Dreifaltigkeitsareals mitten in der Stadt. Er wollte «Kirche leben und nicht bauen». Mit diesem Slogan zog er mit Gleichgesinnten in den Abstimmungskampf. Sie gewannen die historische Abstimmung. Das Millionen-Projekt wurde 1981 gebodigt. Heute steht anstelle eines kirchlichen Repräsentierbaus immer noch die beschauliche Campagne samt einzigartigem Garten und passenden Nebenräumen für unterschiedlichste Anlässe. Das Haus ist offen für alle und bringt dem Image der Katholischen Kirche mehr als viele teure Werbekampagnen.

Natürlich erntet einer, der so vieles mit Passion verfolgt (und sich dabei auch mal verzettelt) auch Kritik. Streitereien hätten ihm wenig zugesetzt, sagt er. Was ihn in den letzten Jahren aber geärgert habe, sei das immer lautere «Kirchenbashing» in den Medien. «Missbrauchsfälle werden ausgeschlachtet, und auch dort regelmässig thematisiert, wo sie gar nicht passiert sind. Aber über wertvolle Sozial- und Präventionsprojekte der Kirchen, gelebte Ökumene, Engagement für Armutsbetroffene und Rechtlose liest man kaum je eine Zeile.» Dass Kirchenkommunikation Knochenarbeit ist, das musste der Profi oft schmerzlich erfahren. Er ist dabeigeblieben. Bei der Kirche und bei der Kommunikation. Man ahnt es: das wird mit der Pensionierung kaum enden.

Dieser Artikel ist im Pfarrblatt Bern erschienen.