Kein Platz für Igel im Schönberg-Ost

von Sabine Schärrer 23. Februar 2016

Es ist ein schönes Erlebnis, in den Strassen unserer Stadt einem Igel zu begegnen. Leider werden es immer weniger. Das muss nicht sein. Bauliche Massnahmen können die Igelpopulation vergrössern. Und kommen auch dem Menschen zugute.

Nicht nur auf dem Land, sondern auch in Stadtnähe werden Igel immer seltener. Anhand der Siedlung Schönberg-Ost lässt sich die Frage stellen, was eine igelfreundliche Landschaftsgestaltung auszeichnet. Sind allenfalls nachträgliche Verbesserungen möglich?

Im Rahmen der Ausstellung zum Projekt «Wildwechsel» von Stadtgrün Bern im Kornhausforum fand eine Podiumsveranstaltung statt. Diese widmete sich den Ergebnissen des dreimonatigen Gastspiels des «Wildwechsel»-Teams um Sabine Tschäppeler, Leiterin der Fachstelle Ökologie, im Wyssloch im letzten Sommer.

Quartier, nicht Siedlung!

Am Tisch sassen nicht nur der verantwortliche Landschaftsplaner Simon Schöni, Sabine Tschäppeler und der Stadtgärtner Christoph Schärer sondern auch zwei Bewohnerinnen des Quartiers. Um eine «Siedlung», so stellte Planer Schöni gleich zu Beginn richtig, handelt es sich explizit nicht, man wollte ein an die bestehende Quartierinfrastruktur angeschlossenes Quartier weiterbauen – immerhin eines mit rund 400 Wohnungen für 800 bis 1000 EinwohnerInnen.

Ob dem wenig fokussierten und weitschweifigen Eingangsgeplauder verlor ich gänzlich den grünen Faden und überlegte mir nach 45 Minuten schon einen klammheimlichen Abgang, als wider Erwarten ein Bildpaar projiziert wurde, das alle Anwesenden sofort weckte.

Quartierweg im Istzustand: Asphalt soweit man sieht, Fahrbahn für die Autos, Trottoir und lückenlos einfassende Betonmäuerchen von zirka 50 cm Höhe (wie hoch springt Igel wohl?), bieder, gepützelt und reinigungsfreundlich – wie es sich gehört. Auf dem zweiten Bild das, was die Grünplanung verpasst hat und das dank manipulativer Bildbearbeitung trotzdem leicht sichtbar gemacht werden kann: Mergelsträsschen und Fussweg gesäumt von schmalen Blumenwiesenrändern und einer Bäumchenreihe. So gefällt es dem Igel – und offenbar nicht nur ihm.

Was dem Igel gefällt

Ein Raunen geht durch den fast nur durch SchönbergbewohnerInnen vollbesetzten Saal. Der Damm ist gebrochen. In der nun folgenden lebhaften Diskussion wird klar, dass die Bedürfnisse von Igeln, Kindern und kontaktfreudigeren BewohnerInnen kaum voneinander abweichen. Und dass im Schönberg-Ost – von der architektonischen Qualität reden wir hier ausnahmsweise mal nicht – vieles schief gelaufen sein muss:

• Angefangen mit dem Programm, explizit ein Quartier für ‚Mehbesseri‘ bauen zu wollen,
• heutzutage ein Quartier für rund 1000 BewohnerInnen ohne eine Spur von Mitwirkung, ohne Quartierläden und natürlichen Trefforten dafür mit völlig ungenügenden Spielmöglichkeiten «auf dem Papier» zu planen,

• den gutbetuchten zukünftigen BewohnerInnen und EigentümerInnen in erster Linie viel ungestörten, privaten Raum zu versprechen,

• keinen Gedanken an eine autofreie Siedlungskonzeption zu verschwenden,

• statt lebendiger Biodiversität ein starres (sogar die Farben blau-weiss sind offenbar vorgegeben!) Pflanzkonzept durchzusetzen.

Unbelebter Guyerplatz

Der ganz zuoberst im Quartier angelegte Guyerplatz wird von den Anwesenden als unbelebt und unbrauchbar beschrieben. Verwegene Wünsche nach Spieleinrichtungen für Kinder und Jugendliche oder gar einer Quartier-Buvette werden angesichts der direkten Nachbarschaft der teuersten Stadtvillen kaum umsetzbar sein.

Sabine Tschäppeler bringt es abschliessend auf den Punkt: Im Schönberg-Ost ist es für den Igel gelaufen!

«Meh Dräck statt edles Styling» möchte man mit Altrocker Chris von Rohr rufen und hoffen, dass aus den Fehlern fürs Viererfeld und weitere Planungen aus diesem Igel-Flop gelernt werde. Lasst im Interesse einer nachhaltigen Siedlungs- und Quartierentwicklung mitreden was da kreucht und fleucht auf zwei, vier oder mehr Beinen und zwar bevor «es gelaufen» ist!