Kein Häuschen zu klein um ein Hotel zu sein

von Beat Schwaller 5. April 2018

Was tun mit den vier Zollhäuschen auf der Nydeggbrücke? Das jüngste Projekt: ein Kleinst-Hotel.

Ab Juni öffnet das vermutlich kleinste Hotel in Bern in einem der vier Zollhäuschen auf der Nydeggbrücke. Dies ist eine weitere Station in der 175 jährigen Geschichte von Brücke und Zollhäuschen. Im Chanson d’amour von Georges Brassens «Il suffit de passer le pont» ging es um die Liebe. Bei «Denen von Bern» ging es im 19. Jahrhundert auch um eine Brücke. Aber nicht der Liebe wegen wie vom Franzosen besungen, sondern vielmehr wegen des Überquerens der Aare à niveau.

Die Brücke

Der Aareübergang mit beidseitigen Zufahrten auf gleicher Höhe war angesichts der tiefliegenden Untertorbrücke ein nachvollziehbares Anliegen der Bevölkerung beiderseits des Aarebogens. Bereits 1825 befassten sich die spöttisch sogenannten Brückenstudierenden mit dem Projekt. Nach der Gründung einer Aktiengesellschaft und dank intensivem Engagement von Ämtern, Privaten und Zünften lag die Baubewilligung bereits im Jahr 1838 auf dem Tisch. Kurz gefasst konnte dank Karl Emanuel Müller (Ingenieur und Bauunternehmer unter anderem der Teufelsbrücke und der Gotthardstrasse) bereits am 15. September 1843 unter Kanonendonner der Schlussstein eingesetzt und 1844 die Nydeggbrücke eingeweiht werden. Die Granitsteine, die unter anderem für die Widerlager benötigt wurden, jene Bauteile, auf denen die Brücke aufliegt, sollen gemäss Überlieferung aus einem mächtigen Findling bei Meiringen geschlagen und auf Flossen bis zur Baustelle transportiert worden sein.

Die Zollhäuschen

Die Errichtung der 4 Zollhäuser bedeutete augenfällig den Abschluss der Bauarbeiten. Diese Pavillons verloren aber bereits nach knapp 10 Jahren infolge Aufhebung der Brückenzölle ihre Funktion, so dass der Kanton die Brücke samt Aufbauten übernahm und bereits 1890 den Einstand des «Café Bärengraben» (die heutige «Brasserie») ermöglichte. Kurzum entschied der Kanton, sich mangels geeigneter Nutzung zum Verkauf der Zollhaus-Liegenschaften an den Fonds für Boden- und Wohnbaupolitik der Stadt Bern. Die beiden stadtseitigen Häuschen sind heute an Private vermietet.

Das «Kleine Hotel»

Allein auf weiter Flur steht sie da, die Nr. 2 am grossen Muristalden. Das bis anhin dort eingemietete Swiss Brand Museum ist seit letztem Jahr Geschichte. Ob das Wort Hosenlupf zutreffen mag oder nicht, sei dahingestellt. Jedenfalls war man sich bei Immobilien Stadt Bern danach im Klaren, dass dringender Handlungsbedarf beim freistehenden Gebäude mit seinem einmaligen Perimeter bestand. Nach kurzem Leerstand galt es keine Zeit zu verlieren. Eine 12-seitige Dokumentation zur Vermietung wurde ausgearbeitet. Die Stadt hatte sich nicht gescheut, die Latte des Anforderungsprofils für die Mieterschaft von Anfang an sehr hoch zu setzen: «Ein innovatives Konzept, getragen durch eine unternehmerisch kompetente Persönlichkeit» war gefragt. Dazu «genügend finanzielle Basis zur Führung des Betriebes auf eigene Rechnung und eigenes Risiko». Es sei daraus resultierend der Kreis der Bewerbenden «überschaubar» geblieben.

Den Zuschlag erhielt der Unternehmer und VR-Präsident Thomas Baumann, Altes Tramdepot, Brauerei & Restaurant. Wen wundert’s, hatte sich eben dieser, zusammen mit Marco Maeder (Geschäftsführer) und dem handverlesenen Team des Tramdepots seit dessen Eröffnung mit vielfältigen Aktivitäten Beachtung und Zuspruch erarbeitet. Thomas Baumann hat der BrunneZyitig die Philosophie des Hotel-Projektes kurz umrissen und die Räumlichkeiten des ca. 9,20 x 5,60 Meter messenden Kleinen Hotels zugänglich gemacht.

Start im Juni 2018

Im Juni ist die Eröffnung des Hotels vorgesehen. Innenräume/Suite bieten Platz für 2 bis 4 Erwachsene oder 2 Erwachsene mit bis zu 3 Kindern. Ein Frühstücks- und Aufenthaltsraum im Erdgeschoss mit praktischer Teeküche, WC/Dusche auf beiden Etagen, Sitzplatz im Grünen neben dem Hotel (Seite BärenPark) runden das Angebot ab. Der Schalldämmung wird angesichts der Lage grösstmögliche Bedeutung zugemessen. Die Réception ist im Restaurant, für Verwaltung und Vermarktung steht Thomas Baumann mit seinem Team. Die Jahresmiete, zahlbar an die Stadt, ist beträchtlich, aber ebenso die Erwartungen an das geplante Kleinst-Hotel in unserer historischen Altstadt. Il suffit de passer le pont…

Aus: BrunneZytig 4/2017