Karl Rechsteiner, die zwei mitgliederstärksten Gemeinschaften gehören ab 1.1. 2023 neu zur Katholischen Gesamtkirchgemeinde Bern. Eine Pioniertat in der Schweiz. Hat die Katholische Kirche damit mehr Mitglieder?
K.R. Die meisten Mitglieder der beiden Missionen sind bereits Mitglieder in ihrer jeweiligen lokalen Pfarrei – und dort stimm- und wahlberechtigt. Viele Mitglieder den Missionsgemeinschaften sind Schweizer*innen, und wer Ausländer*in ist, ist kirchlich eh stimmberechtigt. An der Zahl der katholischen Mitglieder in der Region Bern ändert sich also erstmal gar nichts.
ist Beauftragter der katholischen Gesamtkirchgemeinde Bern. Diese ist ein Zusammenschluss von 12 römisch-katholischen Kirchgemeinden der Stadt Bern und deren unmittelbaren Umgebung. Ihr Einzugsgebiet reicht von Rapperswil im Norden bis nach Guggisberg im Süden und von Ferenbalm im Westen bis nach Worb im Osten. Sie ist eine in der Kantonsverfassung des Kantons Bern anerkannte öffentlich-rechtliche Körperschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit. Die Gesamtkirchgemeinde ist für die gesamte Infrastruktur des kirchlichen Lebens der römisch-katholischen Konfession im Raum Bern verantwortlich. Sie finanziert das vielfältige Pfarreileben mit allen Gruppen und Gemeinschaften, verwaltet die Kirche mit all ihren Gebäuden, regelt Anstellungen und stellt die IT zur Verfügung. Neu werden ab 1.1.2023 auch die Missione Cattolica und die Misión Católica de Lengua Española dazugehören.
Aber warum dann dieser Schritt?
Viele italienisch- oder spanischsprechende Katholiken engagieren sich aus Tradition seit Jahren mehr in der jeweiligen Mission und nicht so sehr in ihrer geografischen Pfarrei. Ihr Engagement hatte dadurch aber gesamtstädtisch wenig Bedeutung. Kaum eine*r liess sich beispielsweise in einen lokalen Kirchgemeinderat wählen. Mitglieder aus den Missionen arbeiteten zwar von Fall zu Fall in Arbeitsgruppen und Gremien mit. Aber eben nicht institutionalisiert. Mit der Anerkennung können sich die engagierten Mitglieder aus den Missionen auch gesamtstädtisch besser einbringen.
Also ein Vorteil für die einzelnen Mitglieder, aber bringt die Anerkennung auch den Missionen Vorteile?
Ja sicher. Die beiden grossen Missionsgemeinden sind neu den einzelnen katholischen Kirchgemeinden möglichst gleichgestellt. Sie erhalten von der Gesamtkirchgemeinde nun mehr Support hauptsächlich auf drei Gebieten. 1. in Liegenschaftsfragen, 2. bei den Finanzen und 3. bei Personalfragen. Diese drei Bereiche sind aufwändig und überfordern organisatorisch oft kleinere Milizgremien. Neu können sie diese Fragen an die Spezialisten in der zentralen Geschäftsstelle abgeben. Das ist eine grosse Erleichterung. Die röm.-kath. Gesamtkirchgemeinde Bern und Umgebung ist immerhin nach Bernischem Gemeinderecht die drittgrösste Gemeinde im Kanton. In der Geschäftsstelle arbeiten Profis.
Aber ist die Anerkennung der Missionen auch ein Schritt in Richtung Integration?
Unbedingt! Die beiden Missionen hatten bisher nicht den gleichen Stellenwert wie eine Kirchgemeinde. Jetzt sind sie klarer ein integrierter Bestandteil der Katholischen Kirche Region Bern.
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Diese Anerkennung betrifft zwei Missionen. Aber es gibt ja noch andere – insgesamt 15 anderssprachige katholische Gemeinschaften im Gebiet der Gesamtkirchgemeinde Bern. Werden diese auch bald den Status der Missionen erhalten?
Die anderen Gemeinschaften decken meist den ganzen Kanton oder ein noch grösseres Territorium ab. Sie gehen also über das Gebiet und die Zuständigkeit der Gesamtkirchgemeinde hinaus. Darüber hinaus müssen gewisse Voraussetzungen erfüllt sein, damit eine Anerkennung rechtlich möglich ist. Es müssen z.B. öffentlich-rechtlich anerkannte Trägerschaften dahinterstehen, es muss ein Mitgliederverzeichnis einsehbar sein usw. Die italienisch- und die spanischsprachigen Missionen erfüllen diese Kriterien.
Für die Katholiken in der Region Bern ist es eine Pioniertat. Sieht man darin auch einen wegweisenden Schritt für eine bessere Integration auf politischer Ebene?
Aus Migrationskreisen haben wir auf unseren Schritt positive Reaktionen bekommen. Man findet das einen interessanten Ansatz, den man sich auch auf politischer Ebene überlegen könnte. Die Stadt Bern könnte doch beispielsweise – in Anlehnung an unseren Schritt – einen Ausländer*innenrat schaffen, der innerhalb klarer Rahmenbedingungen gewisse Befugnisse hätte, wie beispielsweise eine Vertretung im Stadtrat. Das wäre für die Anerkennung anderssprachiger Gemeinschaften ein guter Schritt.