Julian Sartorius, du hast bereits mit einer grossen Zahl von Musikerinnen und Musikern zusammengearbeitet. Wie haben dich diese Kooperationen beeinflusst?
Julian Sartorius:
Diese verschiedenen Zusammenarbeiten haben mich auf ganz unterschiedliche Weise beeinflusst. Zum Beispiel die Zeit in der Band von Sophie Hunger: Durch die vielen Konzerte, die wir zusammen gespielt haben, entwickelt man einen mikroskopischen Blick auf die Feinheiten eines Liedes. Diese Erfahrung war wichtig für mich. Und durch das viele Unterwegs-Sein sind Kernideen für mein nächstes Projekte entstanden.
Bist du aus diesem Grund ausgestiegen?
Ja, ich wollte meine eigenen Ideen umsetzen und dazu fehlte mir die Zeit. Für mich sind Improvisationen, das Experimentelle und die Abwechslung extrem wichtig. Ich habe gemerkt, dass ich meine eigene Sache machen muss.
Wie wichtig ist dir dabei das Geld?
Das Geld ist mir wichtig, um ein Dach über dem Kopf und etwas zu Essen zu haben. Wenn ich daneben künstlerisch machen kann, was ich will, ist das die Hauptsache.
Wie ist es zur Zusammenarbeit mit Merz gekommen?
Ich hatte für drei Monate ein Atelier gemietet für ein Projekt, für das wir mehr Platz benötigten. Hier haben wir uns kennen gelernt, da Merz Mitmieter war. Und zu diesem Zeitpunkt habe ich eine Aufnahme im Studio gemacht und er suchte einen Schlagzeuger für sein Album.
Wie kam es zur Idee, das Album «No Compass Will Find Home» von Merz neu zu interpretieren?
Ich hatte an meinem «Beat Diary» gearbeitet und es entstand die Idee, diese Klangwelt auf die Popmusik zu übertragen. Mich hat die Herausforderung interessiert, ein Popalbum nur mit Perkussion und Schlagzeug neu zu interpretieren. Stimme und Trommeln gehören zu den archaischsten Instrumenten, ich mag diese Ästhetik.
Sind mit diesem Projekt Live-Auftritte geplant?
Ja, wir spielen meine neuen Versionen der Songs. Da ich das Album mehrspurig aufgenommen habe, kann ich die Beats aber auf live nicht alleine spielen. Aus diesem Grund haben wir drei zusätzliche Schlagzeuger angefragt: Lionel Friedli, Arno Troxler und Peter Conradin Zumthor. Somit sind wir insgesamt vier Drummer und Merz als Sänger auf der Bühne.
Du stehst auf ganz unterschiedlichen Bühnen: Festivals, Konzerthallen und kleine Clubs. Wo spielst du am liebsten?
In kleinen Clubs, weil auf grossen Bühnen manche Feinheiten und eine gewisse Direktheit verloren gehen. Am liebsten ist es mir, wenn die Zuhörer ganz nahe sind, quasi im Schlagzeug drin sitzen. Auf grossen Bühnen muss man meist abstrahierter spielen.
Welche Musik inspiriert dich?
Im Grunde alles. Sehr stark beeinflusst war und bin ich immer noch von der experimentellen elektronischen Musik. Ich höre auch ganz viel Musik ohne Schlagzeug. Und momentan höre ich fast nur den Gitarristen Django Reinhardt.
Du warst auch in anderen Kontinenten als Musiker unterwegs. Was hast du von dort mitgenommen?
Als wir in Südamerika auf Tournee waren, habe ich gemerkt, dass sie dort nicht so viele Bands in dieser Art von Musik haben und so war die Rückmeldung des Publikums sehr speziell. Es ist für die eine Seltenheit im Vergleich zu hier.
Das Jazzfestival Willisau sagt, du gehörst «zu den meist beschäftigten Schlagzeugern der Schweiz». Was denkst du darüber?
Ich kümmere mich nicht darum. Mir ist es wichtig, jeden solchen Status jederzeit loslassen zu können, um weitergehen zu können.
Bleibt da überhaupt noch Zeit für ein Privatleben?
Ich weiss gar nicht, was das ist, Privatleben. Für mich ist alle ein Leben. Ich möchte nicht unterscheiden zwischen Privatleben und Arbeit, beides gehört zusammen.
Hat deine Familie auf dich musikalisch eingewirkt?
Bei uns Zuhause war immer ganz viel Musik. Meine Mutter hat Instrumente gespielt und mein Vater hat eine riesige Plattensammlung. Für mich war es immer klar, dass ich Schlagzeug spielen will. Dieser Wunsch kam von irgendwo her, der war einfach da.
Hast du zwischendurch auch mal den Bedarf, musikalische Pausen zu machen?
Ja, ich brauche Spielpausen. Ich bekomme auf einmal Lust zu zeichnen oder zu lesen. Ich bin sehr gerne in den Bergen und gehe wandern. Ich liebe es, zu Fuss unterwegs zu sein, ich entdecke da viele Sachen und zahlreiche Ideen entstehen so.
Hast du überhaupt einen gewöhnlichen Alltag?
Nein, das habe ich nicht und das mag ich sehr an meinem Beruf. Jeder Tag ist bei mir anders und dieses Abwechslungsreiche erlaubt es mir, viel mehr zu machen. Aber jeder Tag ist auch ein bisschen zu kurz.