Johann Gabler, Wanderfotograf

von Markus Schürpf 19. August 2016

In der zweiten Folge unserer Serie über alte Fotografien landen wir in Mürren, wo der eingewanderte Fotograf Johann Gabler für englische Touristen fotografiert.

Lange tut sich die Schweizer Fotografenschaft schwer, ihre Apparate ausserhalb der Ateliers aufzustellen und in die Produktion von Landschaften und Sehenswürdigkeiten einzusteigen. Stattdessen beklagt sie sich, dass ausländische Verlagshäuser wie etwa dasjenige des Elsässers Adolf Braun oder der Napoletaner Giorgio Sommer den Markt überschwemmten und forderte Mitte der 1880er Jahre ein Einfuhrverbot für deren Fotografien. Allerdings vergeblich: Wie deren überdurchschnittliche Präsenz in den hiesigen Fotosammlungen belegt, verkaufen Sommer und Braun weiterhin bestens. Einzigartig sind beispielsweise ihre grossartigen Mappenwerke über die Entstehung der Gotthard-Eisenbahn, die 1882 eröffnet wird.

Für den Kanton Bern gibt es anscheinend lediglich einen ansässigen Fotografen, der mit seinem Verlag im aufblühenden Tourismus des 19. Jahrhunderts versucht, Fuss zu fassen: Johann Adam Gabler, ein Deutscher, der 1861 in die Schweiz einwandert und sich im Berner Oberland niederlässt. Sein Brot verdient er sich zunächst als Wanderfotograf im Emmental. 1870 schliesslich eröffnet er in Interlaken ein Atelier, das nach seinem Tod an seinen Sohn Arthur übergeht. Viel mehr weiss man weder über Johann Adam noch über die weitere Geschichte des Verlagshauses. Offenbar ist dieses über drei Generationen hinweg betrieben und irgendwann in den 1920er Jahren geschlossen worden.

Moment der Fertigstellung

Aus der Zeit des Gründers Johann Adam sind gar nur ein paar wenige Fotografien erhalten geblieben. Eine davon zeigt die englische Kapelle in Mürren im Jahr 1877, just im Moment der Fertigstellung. Mit Schaufeln und Schubkarren ist eine Handvoll Arbeiter mit den letzten Umgebungsarbeiten beschäftigt. Der schlichte Bau, bei dem nur lokal vorhandene Materialien verwendet wurden, passt sich bestens in sein Umfeld ein. Wären am Chorabschluss nicht die neogotischen Spitzbogenfenster zu erkennen, könnte das Kirchlein als Bauwerk des späteren Heimatstils gelten.

Was Gabler zur Aufnahme veranlasst hat, ist nicht bekannt. Vielleicht hat ihn der Architekt George Edmond Street bestellt, der gleichzeitig mit dem Bau englischer Kirchen in Lausanne und Vevey betraut ist, vielleicht auch der Hotelier Wilhelm Gurtner, der das für den Bau nötige Grundstück gratis zur Verfügung stellte.

Mit Kirchenspenden

Sonst haben die Mürrener mit der Kapelle nichts zu tun, obschon das Gotteshaus für die damals hauptsächlich aus England stammenden Gäste nebst Unterhaltung und medizinischer Versorgung zweifelsohne einen wichtigen Teil der touristischen Infrastruktur ausmacht. Wie zu jener Zeit in England üblich, stammen die Mittel aus Spenden der Kirchgemeinden und der «Society for the Propagation of the Gospel in Foreign Parts», die sonst für die Errichtung von Kirchen in den Kolonien aufkommt.

Eine über die Landesgrenzen hinaus marktführende Stellung bei der Produktion von Ansichten und Sehenswürdigkeiten erreicht als erstes Schweizer Unternehmen erst die Zürcher Firma Photoglob. Lange ist der 1895 gegründete und heute noch tätige Betrieb für seine Photolithografien weltberühmt und vertreibt Sujets aus aller Herren Länder.