Jagd auf die neokolonialen Verstrickungen

von Nicolas Eggen 5. Mai 2021

Im Rahmen der diesjährigen Tour de Lorraine fand an diesem Sonntag eine Schnitzeljagd von Public Eye (vormals Erklärung von Bern) statt. In einem spielerischen Rahmen mittels einer App wird auf die heutigen Praktiken von Schweizer Konzernen in ehemaligen Kolonialstaaten aufmerksam gemacht und gezeigt wie noch immer eine starke wirtschaftliche Abhängigkeit herrscht.

Auch wenn die Schweiz keine Kolonien besass, so profitierte sie durch den Handel mit Kolonialstaaten dennoch finanziell von den ausbeuterischen Strukturen. Gerade weil die Schweiz keine formale Kolonialmacht war, konnten Schweizer Firmen nach der Dekolonisierung erfolgreich ihre Stellung halten. Globalisierungskritiker sprechen in diesem Zusammenhang oft auch von Neokolonialismus. Denn auch wenn die ehemaligen Kolonien nun als Staat unabhängig sind, bleibt ihre Wirtschaft auf ausländische Investoren angewiesen und diese wirtschaftlichen Abhängigkeiten stammen zum Teil aus der Kolonialzeit.

 

Rohstoffe

Ein Posten bei der Schnitzeljagd handelt von einem Wirtschaftssektor, der das oben beschriebene Phänomen exemplarisch gut aufzeigt; der Rohstoffsektor. Die Schweiz zählt zu den wichtigsten Rohstoffhandelsplätzen der Welt. Rund 500 Unternehmen mit Sitz in der Schweiz sind in dieser Branche tätig, der bekannteste unter ihnen ist Glencore mit Sitz in Baar bei Zug. Am Beispiel der Kupfer- und Kobaltmine in Mopani in Sambia wird gezeigt wie Glencore jahrelang keine Gewinne deklarierte und somit keine Steuern zahlte. Zudem kamen riesige Schäden an Mensch und Natur zustande, da die Schwefelemissionen die zulässigen Grenzwerte weit überschritten. Dies fand Public Eye 2011 heraus und publizierte dazu das Buch: «Rohstoff – Das gefährlichste Geschäft der Schweiz». In diesem Fall von Mopani passierte bahnbrechendes: Es kam zu einem Schuldspruch für die Tochterfirma von Glencore, welche 13 Millionen Dollar Steuern dem Staat Sambia zurückzahlen musste. So ist nicht der Betrag von Bedeutung sondern die Tatsache dass es überhaupt zu einem Schuldspruch kam. Denn in den meisten Fällen werden Menschenrechtsverletzungen von westlichen Firmen in ärmeren Ländern nicht zur Rechenschaft gezogen. In der wissenschaftlichen Literatur spricht man vom «Ressourcen-Fluch». Zusammen mit einem schwachen Staat führt Rohstoffreichtum statt zu mehr Wohlstand zu mehr Korruption, Konflikten und Armut. Zu diesem Problem des Rohstoffsektors hat Public Eye einen gut durchdachten Lösungsvorschlag für die Schweiz entwickelt. Analog zur FinMA (Finanzmarktaufsicht) soll die Schweiz eine RohMA (Rohstoffmarktaufsicht) gründen, welcher den Rohstoffhandelssektor in der Schweiz kontrolliert und reguliert. Hier geht’s zur (noch) fiktiven Behörde: www.rohma.ch/de/

 

Public Eye an der Tour de Lorraine

Durch die Schnitzeljagd wird man mit einer App geführt, die Posten sind mit Quizfragen zu den jeweiligen Themen gespickt und es werden dabei Punkte gesammelt. Bei allen Posten wird auf weiterführende Literatur oder Dokumentarfilme zu den einzelnen Themen verwiesen. Somit wird die Gruppe auch immer wieder zur Diskussion über die einzelnen Themen angeregt und es entsteht ein spannender Austausch. Organisiert hat die Schnitzeljagd die Regionalgruppe Bern von Public Eye. Public Eye ist eine NGO, welche seit 50 Jahren mit Recherchearbeit Menschenrechtsverletzungen von Schweizer Firmen aufdeckt. Die Regionalgruppe Bern bildet sich ausschliesslich aus Freiwilligen. Dass die Veranstaltung in dieser Form als Schnitzeljagd in Kleingruppen stattfindet, ist durch Corona bedingt. «Diese Form der Veranstaltung hat sich gut als Schutzkonzept angeboten», meint Angela von der Regionalgruppe Bern von Public Eye. Sie kannte die App, welche für die Schnitzeljagd gebraucht wird, aus dem Bildungsbereich. Bei der Themenwahl der einzelnen Posten wollten Sie einerseits aktuelle Themen, wie beim Posten zu Medikamenten behandeln aber natürlich auch auf ihre laufenden Kampagnen aufmerksam machen. Das knappe Scheitern der  Konzernverantwortungsinitiative hat gezeigt, dass dieses Thema die Schweizer Bevölkerung beschäftigt und auch weiter beschäftigen wird.

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Wer gerne selber an der Schnitzeljagd teilnehmen will: Am Samstag 8. Mai findet eine weitere Schnitzeljagd statt. Treffpunkt ist der Waisenhausplatz um 10 Uhr. Die Tour de Lorraine läuft noch bis am 13. Mai zum Thema Dekolonisierung mit vielen weiteren Veranstaltungen, welche teils physisch mit begrenzter Anzahl Personen oder online via Stream stattfinden.