Ist Tschäppäts Plan für das Wachstum der Stadt in Gefahr?

von Beat Kohler 24. Januar 2013

In und rund um Bern hat es nicht zu viel, sondern zu wenig Baulandreserven. Ein Ja zum revidierten Raumplanungsgesetz (RPG) wird deshalb hier nicht weniger Einzonungen zur Folge haben, sondern eher das Gegenteil.

«Die Stadt Bern schafft bis 2020 Wohnraum für 140 000 Menschen», hält der Gemeinderat in seiner Strategie Bern 2020 fest. Stadtpräsident Alexander Tschäppät setzt sich immer wieder für ein moderates Wachstum der Stadt ein. Es ist schon beim vorhandenen Bauland, beispielsweise im Viererfeld, nicht einfach Projekte zu realisieren, wie Tschäppät gegenüber der Berner Zeitung erklärte. Bei einer Ablehnung des revidierten Raumplanungsgesetzes (RPG) wird es mittelfristig wohl noch schwieriger, das angestrebte Wachstum zu erreichen. Dies weil bei den geltenden Regeln die Zersiedelung weitergeht und – sollte nach der Ablehnung die Landschaftsinitiative angenommen werden – der Stadt Bauland fehlt.

«Wir verfolgen in der Stadt Bern schon seit längerer Zeit Zielsetzungen, wie sie nun vom revidierten Raumplanungsgesetz vorgegeben werden. Zum Beispiel die prioritäre Siedlungsentwicklung nach innen», erklärt Stadtplaner Mark Werren. Deshalb hätte eine Annahme hier kurzfristig auch keine grossen räumlichen Konsequenzen. Dass nun der Bund seine Raumplanung so ausrichten will, wie das Bern seit längerem tut, darin sieht Werren eine Bestätigung der bisherigen Stadtplanung.

«Dann stellt sich für mich persönlich die Frage, ob es eine Verpflichtung zum Bauen auf diesem gehorteten Bauland braucht.»

Stadtplaner Mark Werren

Werren geht davon aus, dass eine Annahme des revidierten RPG mittelfristig dazu führt, dass das Interesse an Wohnraum in den Zentren verstärkt wird. Mit der Gesetzesrevision ist es noch möglich, neues Bauland zu schaffen. Das wäre mit der Landschaftsinitiative kaum mehr möglich. Denn die Landschaftsinitiative will die Baulandflächen während zwanzig Jahren einfrieren. Die Stadt wäre auf das wenige noch vorhandene Bauland limitiert. «Dann stellt sich für mich persönlich die Frage, ob es eine Verpflichtung zum Bauen auf diesem gehorteten Bauland braucht», so Werren. Die Stadt brauche zudem weiterhin die Mehrwertabgabe für Planungsvorteile, um nötige Strassen und Infrastrukturanlagen zu finanzieren. Problematisch sei, wenn diese Abgabe durch neue Regelungen verloren ginge, welche im kantonalen Recht festzulegen wären.

«Wir haben zu wenig Baulandreserven, insbesondere in den Kerngemeinden», erklärt auch Jos Aeschbacher, Fachbereichsleiter Raumplanung der Regionalkonferenz Bern-Mittelland. Das ist unter anderem im Regionalen Gesamtverkehrs- und Siedlungskonzept RGSK Bern-Mittelland festgehalten, welches vergangenen Oktober genehmigt wurde. In diesem Konzept geht man von einem vergleichsweise gemässigten Bevölkerungswachstum von 6 Prozent bis 2030 aus.

Um dieses Wachstum und den nach wie vor steigenden Wohnraumbedarf pro Person zu ermöglichen, müssten in diesem Zeitraum 600 Hektaren Bauland zur Verfügung stehen. Um dies zu erreichen, müssten über 300 Hektaren Bauland erst noch geschaffen werden. Da das RGSK das Wachstum nebst den Regionalzentren in erster Linie in der Kernagglomeration Bern vorsieht, braucht es auch hier das entsprechende Bauland.

«Wir haben zu wenig Baulandreserven, insbesondere in den Kerngemeinden.»

Jos Aeschbacher, Fachbereichsleiter Raumplanung der Regionalkonferenz Bern-Mittelland

Mit einer Annahme des RPG könnte dieses Bauland geschaffen werden, wenn es von den Besitzern auch entsprechend zur Verfügung gestellt wird und die entsprechenden Einzonungen von der Stimmbevölkerung beschlossen werden. Sollte die Revision abgelehnt und später die Landschaftsinitiative angenommen werden, würde es für die Entwicklung im Raum Bern schwierig.

Ohne neues Bauland käme es noch zu einer zusätzlichen Verknappung auf dem Wohnungsmarkt in und rund um Bern. Dies hätte wohl einen weiteren Anstieg der Mietpreise zur Folge. Aus diesen Gründen steht der Raumplaner Jos Aeschbacher hinter diesem vorliegenden Gesetzesentwurf. Denn das RGSK will das Siedlungswachstum nicht nur durch verdichtetes Bauen und durch das Aktivieren von bestehenden Baulandreserven ermöglichen, es will auch neue Bauzonen an gut mit ÖV erschlossenen, zentralen Standorten ausscheiden.