«Iron Cinderella» und «Toda Raba Ben»

von Raff Fluri 25. Januar 2022

An den 57. Solothurner Filmtagen ist ein Berner Film für den Prix du Public nominiert: «Lost in Paradise», eine Komödie, die zwischen Bern und Prag angesiedelt ist. Anlass genug, heute zwei Kurzfilme der Regisseurin Fiona Ziegler vorzustellen.

In der Komödie «Lost in Paradise», die von schrägen Einfällen und absurder Situationskomik nur so strotzt, spielt Dominique Jann die Hauptfigur Eugen, der nach dem Brand seines Prager Musikclubs nach Bern zurückkehrt, um in seiner Familie nach Unterstützung für einen Wiederaufbau zu suchen. Was als fiktive Geschichte mit lauter Anekdoten und amüsanten Sidestories inszeniert ist, basiert auf eigenen Erlebnissen der in Muri aufgewachsenen Regisseurin Fiona Ziegler.

Auch in ihren früheren Kurzfilmen schwingt fast immer etwas Autobiographisches mit. Zum Beispiel in «Iron Cinderella»: Der No-Budget-Film wurde bei eisiger Novemberkälte in Prag gedreht. Die Idee dazu entstand aber durch eine sonderbare Begegnung in der Berner Altstadt.

«Iron Cinderella» (2011)

«Iron Cinderella» ist Fiona Zieglers Erstling. Noch heute wird der Kurzfilm immer wieder aufgeführt. Er zeigt erstmals ihr Gespür für die feinen, leicht absurden Geschichten, die sich humorvoll und versöhnlich erzählen lassen. Momente des Alltags eben – menschlich und oft realistischer als man ahnen könnte.

Nach Prag kam sie über ihr Studium der Zeitgeschichte und der Internationalen Politik in Genf. In ihrer Masterarbeit schrieb sie über den Film «Underground» des serbisch-bosnischen Regisseurs Emir Kusturica. In einem Interview erzählte ihr der Regisseur von der renommierten Filmschule FAMU in Prag, an der er selber studiert hatte. Als es Fiona Ziegler immer stärker zum Film hinzog, meldete sie sich zu einem englischsprachigen Programm ebendieser Filmschule an und hatte somit Gelegenheit, sich für ein Regiestudium im tschechischen Departement zu bewerben. Als erste westeuropäische Regiestudentin wurde sie zugelassen und hatte nun acht Monate Zeit, Tschechisch zu lernen. Denn nur so hatte sie eine Chance, im Regiedepartement den Master abzuschliessen und in die tschechische Filmkultur einzutauchen, eine Filmwelt voller vermeintlicher Poesie, Magie und Humor.

«Iron Cinderella» (2011)

In der Realität stellte sich heraus, dass zwischen der Entstehung der tschechoslowakischen Filme, die Fiona Ziegler begeisterten, und der filmischen Gegenwart viele Jahre des Kommunismus und der Zensur lagen. Das Verspielt-Einzigartige dieser Filme war an der Prager FAMU nur noch marginal spürbar. Dennoch waren zu Beginn ihres Studiums die bekannten FilmemacherInnen dieser Zeit noch gegenwärtig: Věra Chytilová, Jan Němec oder – aus der Ferne – Miloš Forman. Dank deren prägenden Einfluss gelang es Fiona Ziegler dennoch, das Gespür für die Filmkunst der damaligen «Neuen tschechischen Welle» zu gewinnen und in ihre eigene poetische Erzählweise einfliessen zu lassen.

«Toda Raba Ben (Thank You Ben)» (2016)

Mit dem bereits etwas längeren Kurzfilm «Toda Raba Ben» wagte Ziegler 2016 erstmals eine Koproduktion, die im Ausland spielte. Die Protagonistin des Films macht sich auf die Suche nach ihrem Freund Ben, der in den israelischen Armeedienst eintreten musste und von dem seither jegliche Spur fehlt.

«Toda Raba Ben (Thank You Ben)» (2016)

Die Zusammenarbeit zwischen Tschechien, Israel und der Schweiz war eine grosse logistische und personelle Leistung. Aber auch für ihren Master-Abschlussfilm an der FAMU scheute Fiona Ziegler die mit internationalen Spielfilmprojekten verbundenen Herausforderungen nicht: «Lost in Paradise» ist die erste tschechisch-schweizerische Koproduktion mit einem Aufgebot an bekannten Schauspielgrössen aus beiden Ländern. Dass sich die beiden Städte Bern und Prag in ihrem ersten abendfüllenden Spielfilm ziemlich ähneln, ist kein Zufall.

Dominique Jann und Ivan Pokorný in «Lost in Paradise»

Tatsächlich lassen sich Parallelen zwischen den beiden Ländern finden. Nach der sowjetischen Invasion 1968 kamen zahlreiche politische Flüchtlinge aus der damaligen Tschechoslowakei in die Schweiz, die sich seither integriert haben. Die Menschen beider Länder lassen sich nicht gerne von Autoritäten bestimmen. «Sie gehen gerne wandern, lieben Berge. Beide Länder mögen Antihelden und sind Nationen, die sich eher klein und bescheiden geben», schwärmt Fiona Ziegler. Wir Schweizer hätten hingegen etwas weniger Selbstironie und hätten weniger gelernt, mit Humor das Leben zu manifestieren. «Vielleicht auch, weil wir es einfacher hatten und nicht vom Kommunismus direkt betroffen waren». Doch genau diese Prise Humor bringt die Regisseurin in ihren Filmen nun zu uns in die Schweiz zurück. «Auf meinen zahlreichen Busreisen zwischen Tschechien und der Schweiz habe ich viele Menschen getroffen und ihre bewegenden, aber auch skurrilen Geschichten erfahren, die ich in ‹Lost in Paradise› einfliessen liess», erklärt sie.

Dass der Film in Solothurn gezeigt wird und gar für den Prix du Public nominiert ist, bedeutet der Filmemacherin viel. «Es ist ein Heimkommen nach zehn filmischen Lern- und Wanderjahren im Ausland. Ein Gefühl, daheim wahrgenommen und verstanden zu werden. Das ist sehr schön», freut sich Fiona Ziegler.

«Lost in Paradise» kommt am 12. Mai 2022 in die Schweizer Kinos.