«Initiative gegen die Abzockerei»: Alec von Graffenried, Kontra

von Anne-Careen Stoltze 8. Februar 2013

Am 3. März 2013 stimmt das Berner Volk über die Initiative «Gegen die Abzockerei» ab. Nationalrat Alec von Graffenried (Grüne) empfiehlt ein Nein zur Initiative.

Alec von Graffenried engagiert sich gegen die Abzocker-Initiative und arbeitet bei der Könizer Bauunternehmung Losinger Marazzi. Dies sind seine Argumente:

«Die Schweiz verfügt weltweit über eine der am besten integrierten Gesellschaften. Hier kann es jede und jeder mit allen. Die direkte Demokratie, das Milizprinzip, der soziale Zusammenhalt und der breit gestreute Wohlstand brachten uns dahin. Bis vor 25 Jahren verdiente kaum jemand mehr als ein Bundesrat. Seit Vasella und Ospel und ihren Lohnexzessen ist diese Schweiz gefährdet. Seither gilt das Medieninteresse nicht mehr den Besten und den Wägsten, sondern den 300 Reichsten der «Bilanz». Die Abzocker-Initative greift damit ein brennendes und für unser Zusammenleben wichtiges Thema auf.

Lange war ich davon überzeugt, dass die Minder-Initiative mit der «Stärkung der Aktionärsdemokratie» das richtige Mittel aufgreift. Die Erfahrung in den USA und Grossbritannien zeigt leider, dass die «Aktionärsdemokratie» nicht gegen Abzocker hilft, im Gegenteil kann sie sogar eine Beschleunigung der Lohnexzesse bewirken. Denn die «Aktionärsdemokratie» gibt es eigentlich gar nicht. Der Aktionär in einer kotierten AG will Geld anlegen, nicht eine Gesellschaft führen. Er ist an der Rendite, nicht an der Firma interessiert. Unser Land können und wollen wir nicht einfach verlassen, wenn uns etwas nicht passt. Daher ist hier die Mitsprache essenziell. Ein Aktionär hingegen wird seine Aktien jederzeit verkaufen, wenn ihm die Geschäftspolitik nicht (mehr) passt oder wenn die Rendite nicht stimmt. Ein Aktionär ist daher auch nicht wirklich am langfristigen Erfolg des Unternehmens interessiert.

Von den 24 im Initiativtext vorgesehenen Verfassungsbestimmungen schreibt keine einzige eine Lohnobergrenze vor, die Initiative hilft also nicht konkret gegen zu hohe Entschädigungen. Zudem geht die Initiative weit über Vergütungsfragen hinaus. Zum Beispiel fordert sie eine jährliche Wahl des Verwaltungsrates. Genau dies fördert das kurzfristige Denken des Managements, welches uns den Schlamassel im Finanzsektor beschert hat.
Ehrlicherweise muss eingeräumt werden, dass in fünf Jahren parlamentarischer Debatte auch kein Wundermittel gegen die Abzockerei gefunden wurde. Das Wundermittel liegt eben nicht in der Stärkung einer fiktiven «Aktionärsdemokratie». Immerhin wurden mit dem Gegenvorschlag die zentralen Punkte der Initiative in angemessener Form direkt in unser Aktienrecht integriert. Der Gegenvorschlag wirkt damit nicht nur schneller, sondern zeigt auch das politisch Machbare auf. Wer mehr als Symbolpolitik machen will, stimmt Nein zur Initiative und nimmt somit den Gegenvorschlag an.»