Kein Blut, kein Kommissar, keine Leiche. «Steinherz», Andrea Weibels erster Roman für Erwachsene, ist wahrlich ein untypischer Krimi. Er lässt sich nur mühevoll in eine womöglich verkaufsfördernde «Marketingschublade» quetschen. So überrascht es wenig, plädiert die Schriftstellerin für ein differenziert-schattiertes Weltbild: «Ich möchte nicht einfach sagen, dies ist jetzt der Bösewicht und die anderen sind die Guten.»
«Ich möchte nicht einfach sagen, dies ist jetzt der Bösewicht und die anderen sind die Guten.»
Andrea Weibel, Schriftstellerin
Oftmals seien es die spezifischen Umstände, welche Menschen ein Verbrechen begehen lassen. «Alle Menschen haben ihre Abgründe, das Böse ist im Menschen, wie das Gute auch.» Das grassierende «Self-Marketing» findet sie langweilig und oberflächlich: «Wir sind alle Individualisten, die ihre Vorzüge zur Schau stellen.»
Leben in und mit Geschichten
Die bescheidene Dorfbibliothek im zugerischen Dorf Walchwil bot für die kleine Andrea bald einmal keine neuen Geschichten mehr. Geschichten miterleben und hautnah in andere Leben zu sehen, das war es, was sie schon immer faszinierte. Früher fieberte sie liebend gerne mit den erschaffenen Charakteren von Federica de Cesco mit, heute erweckt sie selber eigenständige Figuren und verwickelt sie in spannungsgeladene Plots. Als Schlüsselfaktor für die literarische Arbeit nennt sie die Empathie, das bedingungslose Hineinfühlen in die eigenen Figuren, deren Entscheidungsmöglichkeiten und deren Lebenswelt. Schreibt Andrea Weibel eine Geschichte, dann lebt sie in ihr.
Die Arbeit mit der Sprache lenkte auch ihren beruflichen Werdegang. 1996 fand sie nach dem Geschichtsstudium in Zürich dank einer Stelle bei der Schweizerischen Depeschenagentur den Weg nach Bern. Danach arbeitete Weibel 14 Jahre als Redaktorin für das Historische Lexikon der Schweiz.
«Alle Menschen haben ihre Abgründe, das Böse ist im Menschen, wie das Gute auch.»
Andrea Weibel
Nun hat sie eine 50%-Stelle als Lektorin gefunden, was ihr die Weiterführung ihrer literarischen Arbeit erleichtert. Bereits schreibt sie an ihrem nächsten Roman. Mit ihrem Partner lebt Andrea Weibel im Breitenrain. An Bern schätzt sie ganz besonders die Kleinräumigkeit: «Alles, was ich brauche ist rasch erreichbar.» Die Lebensqualität sei sehr hoch. Manchmal erlebe sie Bern aber auch als statisch und behäbig. Ganz besonders liebt sie Spaziergänge an der Aare. Immer wieder zieht es sie aus der Stadt in die stille und menschenleere Bergwelt. Einmal möchte sie noch in einer richtigen Metropole wie Berlin oder in der sehr entlegenen Abgeschiedenheit leben. Entweder, oder. Andrea Weibel lässt sich nicht schubladisieren.