Das Tauschprojekt «Pumpipumpe» entstand vor zwei Jahren in der Länggasse, nun ist es rund um den Globus gefragt. Eine lokale Erfolgsgeschichte ist das Tauschnetz Länggasse, in dem schon seit zwanzig Jahren geldlos Wissen und Dienstleistungen getauscht werden. Beide Ideen profitieren vom globalen Trend zum Teilen und sind offen für neue Impulse auch aus dem Quartier.
Von der Länggasse bis Montreal
An der Mittelstrasse im Länggassquartier wurde die «Pumpipumpe»-Idee erstmals getestet, nun wird sie sogar in Berlin, Kopenhagen, Strassburg und Montreal angewendet: Das Teilen von Gegenständen, die man nicht selber besitzt, sondern unkompliziert beim Nachbar leihen kann. Selten Gebrauchtes wie Bockleiter oder Bohrmaschine muss nicht jeder Haushalt selber anschaffen. Wer mitmacht, markiert am Briefkasten, was er auszuleihen hat.
Die Logistik wird noch immer im kleinen Grafikbüro Meteor Collectif in einem Hinterhof der Mittelstrasse gemacht. Dies heisst: Briefmarkengrosse Kleber mit Bildern von Toaster, Kabel oder Grill in Briefumschläge verpacken und an die Besteller versenden. Nach wie vor sind die Sticker gratis erhältlich. Quartierbewohner holen sie am besten persönlich ab – und könnten bei «Pumpipumpe» übrigens auch einen Werkzeugkasten leihen.
Vertrautes Bild am Briefkasten
Dort in der Ateliergemeinschaft an der Mittelstrasse haben die drei Büropartner Lisa Ochsenbein, Ivan Mele und Sabine Hirsig vor zwei Jahren «Pumpipumpe» konzipiert. Illustratorin Sabine Hirsig zeichnet die Sujets, die an den Briefkästen in der Länggasse inzwischen ein vertrautes Bild sind.
«Eine kleine Aktion für grosse Städte.»
Sabine Hirsig, Pumpipumpe
Etwa 100 Stellenprozente benötigen die Initianten – Illustratorin Hirsig, Produktdesignerin Ochsenbein und Prozessgestalter Mele – aktuell für «Pumpipumpe». «Der Aufwand ist beträchtlich, aber die internationalen Kontakte und das riesige Echo auf unsere Idee sind ein Ansporn,» sagt Sabine Hirsig. Eine Stiftung und Partnerbüros auf der ganzen Welt unterstützen das Kleinprojekt.
Urbane Kleinaktion
«Eine kleine Aktion für grosse Städte» sei ihr Projekt, das vor allem im urbanen Umfeld funktioniert. Dass sie einem globalen Trend folgen, war den Initianten von «Pumpipumpe» nicht bewusst. Vielmehr suchten sie in der Bürogemeinschaft Meteor Collectif eine Idee, die sie gemeinsam verfolgen konnten. Persönliche Erfahrungen spielten bei der Entwicklung von «Pumpipumpe» mit: «Wir leben mobil und sind häufig auf Reisen, deshalb wollen wir möglichst wenig selber besitzen.»
Die Mittelstrasse diente als Testgebiet, doch «sehr schnell gab es Bestellungen von überallher», berichtet Sabine Hirsig. Nicht nur die Gratis-Sticker verteilten sich rasch, auch die Idee stösst auf grosse Resonanz. Inzwischen hat «Pumpipumpe» Design- und Nachhaltigkeitspreise gewonnen und die Universität Bern begleitet das Projekt wissenschaftlich.
WLAN-Verleih?
«Beworben haben wir uns, weil uns Kunden auf die Wettbewerbe aufmerksam machten», sagt Hirsig. Auch bei der Ausweitung des Klebersortiments sind Kundenwünsche gefragt: «Wir nehmen Wünsche entgegen und diskutieren auch die Ausweitung auf neue Bereiche wie WLAN, Dienstleistungen oder teurere Objekte wie Autos, die wir anfänglich bewusst nicht im Sortiment hatten.»
Ein Jokerkleber ermöglicht eigene Ideen. Auch die Grundidee wird bisweilen abgewandelt, haben die «Pumpipumpe»-Begründer beobachtet: «Manchmal geht es weniger darum, tatsächlich etwas zu verleihen, als zu signalisieren, dass man offen für Kontakte ist.»
Bewusst werden die Tauschgegenstände bei «Pumpipumpe» bislang nicht über Internet angeboten, da kurze Distanzen und persönliche Kontaktnahme wesentlich sind. «Es braucht eine gewisse Dichte an Bewohnern, aber auch Vertrauen in die Nachbarschaft».
20 Jahre Tauschnetz
Das Tauschnetz Länggasse, das in diesem Jahr bereits sein 20-Jahre-Jubiläum feiert, setzt dagegen seit einigen Jahren aufs Internet, um Tauschpartner und ihre Leistungen zusammenzubringen. Das Netzwerk ist der Kirchgemeinde Paulus angegliedert und wird von einer Koordinationsgruppe und der Sozialarbeiterin Monika Clemann betreut. Es beruht auf Gegenseitigkeit – dem währungslosen Austausch von Wissen und Fähigkeiten. «Eine Sängerin hat im Tauschnetz Radfahren gelernt, im Gegenzug bietet sie Gesangsstunden an», beschreibt Clemann das Prozedere an einem Beispiel.
«Dass jemand nichts anzubieten hat, gibt es eigentlich nicht.»
Monika Clemann, Tauschnetz Länggasse
«Dass jemand nichts anzubieten hat, gibt es eigentlich nicht», ist Clemann überzeugt. Auch mit Entsorgen, Vorlesen oder Gartenarbeit ist man beim Tauschnetz als Tauschpartner dabei.
100 Mitglieder zählt der Verein, der das am längsten bestehende Tauschnetz der Stadt betreibt. «Aktive Pensionierte der 68er-Generation» sind laut Clemann der harte Kern, aber auch Studierende und weitere Personen machen – meist für kürzere Zeit – mit.
Das persönliche Zeitkonto
Viele Sprachen werden auf der Plattform angeboten, aber man kann beim Tauschnetz auch Philosophieren, Berndeutsch lernen, eine Radtour professionell planen oder eine äthiopische Teezeremonie erleben. Getauscht wird nicht 1:1, sondern ein Zeitkonto alimentiert, das man auch mal überziehen kann. Alle Angebote haben den gleichen Wert – berechnet wird der Zeitaufwand.
Kontakte knüpfen kann man beim Tauschnetz nicht nur beim direkten Tauschpartner, sondern einmal monatlich auch am Tauschnetz-Treffen, wo thematische Inputs gegeben werden. Gut möglich, dass hier auch einmal das Projekt «Pumpipumpe» vorgestellt wird und neue Ideen entstehen. Beide Initiativen wollen sich bedürfnisgerecht weiterentwickeln und freuen sich auf Ideen aus dem Quartier – getragen vom globalen Trend zum Teilen, der laut Prognosen stetig wächst.