Im Westen kaum Neues

von Christoph Reichenau 12. Juli 2022

Es wird wieder länger dauern, es kommen neue Kosten hinzu, der Vertrag mit Mäzen Wyss ist unterzeichnet, alles ist rundum abgestimmt für ein – ab 2030 – «modernes und attraktives Kunstmuseum Bern», das «einmalige Kunsterlebnisse» bieten wird. Etwa so lässt sich die gemeinsame Medienmitteilung des Gemeinderats und des KMB zusammenfassen.

Wozu das Ganze? Um in einem modernen, attraktiven Museum einmalige Kunsterlebnisse zu eröffnen. Einmalig heisst: «Alle künstlerischen Medien ohne Einschränkung nebeneinander: Arbeiten auf Papier neben Skulpturen Gemälden oder Videos». So sagt es die Website. Und man denkt: Wie war das zum Beispiel letzthin in der Ausstellung Meret Oppenheim?

Der neu gestaltete Webauftritt des Projekts gefällt. Zur Erweiterung des Kunstmuseums Bern (KMB) werden viele Fragen beantwortet, bevor man sie gestellt hat. Eine ausführliche Medienmitteilung erklärt, dass alles nach Plan laufe. Zugedeckt mit good news fragt man sich, weshalb diese keine Medienkonferenz verdient haben, aber man will nicht grübeln.

Für fast alles, was die Bürgerin und den Bürger interessiert, von neuen Konzepten der Kunstvermittlung bis zu den lichten Räumen der «Zukunft Kunstmuseum Bern» kann man auf den Artikel verweisen, der nach der Medienkonferenz vom 19. Juli 2021 verfasst worden ist. Für den Rest genügen aus heutiger Sicht ein paar Informationen und Fragen.

Es wird später

Wie die «Zukunft Bahnhof Bern» rückt auch die «Zukunft Kunstmuseum Bern» etwas weiter in Zukunft. 2030 soll das erneuerte KMB eröffnet werden, nach einer zweijährigen Schliessung 2027-2029. Während dieser Zeit ist eine «Tour de Berne» angesagt: Das KMB kooperiert dann mit allen Kunsthäusern im Kanton und zeigt dort Werke aus der Sammlung. Wie dies funktioniert, ist derzeit in der Ausstellung Otto Tschumi im Schloss Spiez zu besichtigen.

Schon bald soll der internationale Architekturwettbewerb mit einer Präqualifikation und zwei Bewertungsstufen starten. Nach der Jurierung wird 2024 für das Siegerprojekt der Projektierungskredit beim Kanton beantragt. Es folgt die städtische Volksabstimmung über die Umgestaltung des Bären- und Waisenhausplatzes, die ohne nähere Begründung mittlerweile Teil der «Zukunft Kunstmuseum Bern» sind. Irgendwann wird über die Neugestaltung der Hodlerstrasse entschieden (Verlegung der Ausfahrt der Metro-Garage, Pflanzung von Bäumen, Verkehrsregime mit teilweisem Fahrverbot) und dann verwandelt sich wohl 2027 das Gebiet am Aarehang in eine Grossbaustelle. In einem «Chutt» werden der Atelier 5-Trakt abgerissen und durch einen Neubau ersetzt, der Stettlerbau saniert und das neu zum Museum geschlagene Haus Hodlerstrasse 6, heute von Police Bern genutzt, für Zwecke des KMB hergerichtet. Hat der Staub sich gelegt, zeigt der Kalender 2030. Ein Jahr später als bisher geplant.

Übrigens: Dass der alte Stettlerbau saniert wird während der Neubau wächst, ist neu. Dies soll die Belastung der Nachbarinnen und Nachbarn reduzieren, erzwingt jedoch auch die zweijährige Schliessung des gesamten KMB. Kostenpunkt: 18,5 Millionen Franken. Für die Finanzierung wird auf das Kulturförderungsgesetz verwiesen.

Es wird teurer

Dies alles kostet rund 145,5 Mio. Wer bezahlt?

  • Der Kanton Bern übernimmt 40 Mio. für den Neubau und 18,5 Mio. für die Sanierung des Stettlerbaus, zusammen 58,5 Mio.
  • Hansjörg Wyss bezahlt 20 Mio. an den Neubau und 5 Mio. an die Neugestaltung der Hodlerstrasse, zusammen 25 Mio.
  • Die Stadt Bern finanziert die Erneuerung des Bären- und Waisenhausplatzes (zusammen 30 Mio.) sowie teilweise die Neugestaltung der Hodlerstrasse (2 Mio.), insgesamt ca. 32 Mio. Hinzu kommen die Kosten von gut 6 Mio. für die kostenlose Überlassung des Hauses Hodlerstrasse 6. Stadtbeitrag also gut 38 Mio.
  • Die Stiftung KMB deckt die allfälligen Mehrkosten der Erweiterung bis zu 10 Mio. mit einem Bankdarlehen.
  • Für die verbleibenden Aufwendungen in der Grössenordnung von 14 Mio. werden Sponsoren gesucht. Kommen dabei 7,5 Mio. zusammen, übernimmt Hansjörg Wyss die restlichen Mio.

Zu diesem Puzzle von Finanzierungsanteilen steht in der Medienmitteilung: «Realisierbar ist das Projekt nur, wenn alle Partner ihre Beiträge leisten.»

Offene Fragen

Keine Aussage wert ist der Medienmitteilung die Tatsache, dass die Speichergasse die Flanierzone Bärenplatz-Waisenhausplatz-Hodlerstrasse mit recht intensivem Verkehr durchquert und zerschneidet.

Keine Begründung wert ist die Aussage, Bern könne ohne Verbesserung der Infrastruktur des KMB mit den Städten Basel, Zürich und Lausanne «nicht mehr konkurrieren». Sind wir im Wettbewerb? Liegen nicht die genannten Städte je nur eine öV-Stunde von Bern? Ist das «immer mehr» noch zeitgemäss? Ist nicht Kooperation, Austausch, Ergänzung richtig? Oder verharren wir im zerstörerischen Konkurrenzkampf? Und wem würde dieser was bringen? Insgesamt: Was genau soll «Zukunft Kunstmuseum Bern» bringen – an der Hodlerstrasse, in Verbindung mit dem Zentrum Paul Klee, in Kooperation mit der Kunsthalle und den anderen Kunsthäusern im Kanton? Das bleibt inhaltlich undeutlich und ohne klare Kontur, wie schon immer im langen Prozess. Man hat den Eindruck, der Architekturwettbewerb solle die Ideen bringen, die das Museum nicht klar äussert. Das funktioniert aber nicht.

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Keine Aussage wert ist die Frage, ob sich das zwar nur flockig beschriebene künftige Kunsterlebnis, das auf eine umfassende Vermittlungstätigkeit, auf spannende Ausstellungen und auf Diversität in allen Aspekten setzt, mit dem bestehenden Personalbestand gewährleisten lässt. Dieser ist schon heute tief und die Anforderungen werden steigen. Während über Nachhaltigkeit und Technik bis hin zu grauer Energie richtigerweise ausführlich berichtet wird, fehlt jede Überlegung zu den Menschen. Dabei sind es doch sie und nur sie, die das zum Leben erwecken und zum Erlebnis machen, dass so banal «Zukunft Kunstmuseum Bern» genannt wird. Zu einem «modernen, attraktiven KMB» gehören nicht in erster Linie Plätze, Strassen, Gebäude, sondern engagierte Fachpersonen in genügender Zahl und Bezahlung. Das wird mehr kosten, das soll mehr kosten dürfen als heute. Und dies ist in die Rechnung einzubeziehen.

Vorrang der Stadt

Auf den letzten Seiten der Medienmitteilung figurieren die Mitglieder der Wettbewerbsjuries. Zum achtköpfigen Fachpreisgericht gehört etwa Peter Zumthor. Ein hochkarätiges Gremium.

Im Sachpreisgericht von 7 Mitgliedern sitzen zwei Grossräte, 2 Stadtvertreter, Hansjörg Wyss, KMB-Direktorin Nina Zimmer und Jonathan Gimmel, einerseits Abteilungsleiter der städtischen Präsidialdirektion, andererseits vom Kanton gewählter Stiftungsratspräsident des KMB. Ein gefühltes Untergewicht des Kantons, der die Hauptlast des Projekts trägt. Einmal mehr wird deutlich, wie sonderbar Jonathan Gimmels Stellung ist. Und wie wenig deutlich jene des Kantons.

Seit Jahren läuft nun im dritten Anlauf die Vorbereitung der «Zukunft Kunstmuseum Bern». Wer heute zur Welt kommt, wird im ersten Schuljahr die neue Gegenwart KMB erleben. Wenn alles besser geht als es die Zeitläufte jetzt ahnen lassen.