«Ich würde in jedem Verein singen – wenn es Spass macht»

von Beat Kohler 22. Mai 2013

Gesangsvereinen fehlt es häufig an Nachwuchs. Wie junge Sängerinnen motiviert werden könnten, zeigt das Beispiel von Michelle Uetz. Sie tritt zusammen mit dem Schweizer Jugendchor erstmals in Bern auf.

Sie ist die einzige Bernerin, die im Schweizer Jugendchor mitsingt. Für die begeisterte Chorsängerin Michelle Uetz zeigt dies den schwierigen Stand, den die Chöre insbesondere im Kanton Bern haben. Dagegen will sie ansingen. Zum dritten und letzten Mal tut sie dies im Schweizer Jugendchor – einem Zusammenzug Junger Gesangstalente aus der ganzen Schweiz. Insgesamt sind 49 Sängerinnen und Sänger aus 16 Kantonen beteiligt.

«Präsidenten und Dirigenten sind die Schlüsselpersonen in diesen Vereinen»

Kurt Gäggeler, Präsident des Berner Kantonalgesangsverband

Zum ersten Mal seit Jahren tritt die Formation wieder in Bern auf. «Jetzt gibt es für alle, die mir einen Konzertbesuch versprochen haben, nicht mehr die Ausrede, das Konzert sei zu weit weg», erklärt die 25-jährige zwar mit einem Augenzwinkern aber dennoch mit einem gewissen Ernst. Am 8. Juni wird sie zusammen mit ihren Kolleginnen und Kollegen in der Nydeggkirche auftreten.

Gesang ist für die Studentin ein wichtiger Teil ihres Lebens. Zum Chorsingen kam Michelle Uetz eher zufällig, durch ihre Grosseltern die beim Gemischten Chor Ittigen sangen. «Ich habe dort bei einem Chorprojekt ausgeholfen und bin so in Kontakt mit Dirigent Paul Hirt gekommen», erinnert sie sich. Der forderte und förderte sie. Er schickte sie auch in Dirigierkurse, in denen sie ihr Wissen vertiefen konnte. Für Kurt Gäggeler, Präsident des Berner Kantonalgesangsverband, ist dies ein gelungenes Beispiel, wie junge Menschen an den Chorgesang herangeführt werden können. «Präsidenten und Dirigenten sind die Schlüsselpersonen in diesen Vereinen», ist er überzeugt. Von ihrer Initiative hänge es ab, ob Vereine Nachwuchs gewinnen könnten oder nicht.

Viele Chöre hätten es verpasst, sich aktiv um den Nachwuchs zu kümmern und hätten so eine bis zwei Generationen Sängerinnen und Sänger verloren, so Gäggeler. Dem versucht der Verband entgegenzuwirken. Unter anderem auch damit, dass unter der Leitung von Jörg Ritter für Laien Chordirigentenkurse in Bern angeboten werden. «Das Ziel ist, pro Jahr zehn Dirigentinnen und Dirigenten auszubilden», erklärt Gäggeler. Es gebe zwar viele junge Menschen, welche einen Chor dirigieren könnten. Viele hätten neben Studium und Arbeit zu wenig Zeit, um einen Chor übernehmen zu können. Dank der Ausbildung, die es bisher im Kanton Bern nicht gab, sollen mittelfristig Lücken geschlossen werden.

Für junge Menschen ist Chorgesang oft etwas fremdes, auch weil in der Deutschschweiz in der Schule der Chorgesang einen wesentlich kleineren Stellenwert hat, als in der Westschweiz. Diejenigen, die sich für Gesang interessieren, werden oft mit Chorprojekten angelockt. Nicht nur zur Freude der bestehenden Vereine. Viele Chorsängerinnen und Chorsänger können sich zwar für einen Projektchor begeistern, nicht aber für bestehende Chöre, in welchen auch Vereinsarbeit ansteht. Projekte wie «Bern singt» sind deshalb für Gäggeler ein zweischneidige Angelegenheit. Sie sorgen zwar für öffentliche Aufmerksamkeit und locken Singende und Publikum gleichermassen an, auf der anderen Seite sind sie eine Konkurrenz zu bestehenden Chören und können dort einen gewissen Frust auslösen.

«Ich singe gerne in jedem Verein, wenn es Spass macht – denn das ist die Hauptsache»

Michelle Uetz, Chorsängerin

Projekte können aber auch Nachwuchs anlocken, so wie es bei Michelle Uetz geschehen ist. Altershalber wird sie nur noch diese Saison mit dem Schweizer JugendChor unterwegs sein. Was danach folgt ist offen. Nur wenige Chöre singen auf diesem Niveau und mit einem solch breiten Repertoire, wie dieser Chor. Das Singen an den Nagel hängen will die Junge Sängerin aber nicht. Sie kann sich auch vorstellen, in einem kleinen Dorfverein mitzusingen, wenn dieser gut geführt ist. «Ich singe gerne in jedem Verein, wenn es Spass macht – denn das ist die Hauptsache.»