«Ich wünsche mir für die Schweiz einen offenen Hairstyle»

von RaBe Info & David Fürst 13. Februar 2025

Die Dampfzentrale zeigt das Stück «Beautysalon» von Mohamed Wa Baile. David Fürst und Sarah Heinzmann waren bei der Generalprobe dabei.

Text und Fotos: David Fürst, Interview: Sarah Heinzmann

Ich betrete den Vorstellungsraum der Dampfzentrale, wo sich die Tänzer*innen für die Generalprobe aufwärmen, Menschen Ton und Licht testen und Kameras aufgestellt werden. Stimmen auf Berndeutsch, Lingala, Bündnerdeutsch, Portugiesisch, Französisch und Englisch hallen durch den Raum. «Workshop-Teilnehmer:innen, die heute nicht als Performer:innen auf der Bühne stehen, konnten sich auf offene Positionen neben der Bühne melden – so bleiben sie dennoch Teil des Beautysalons», sagt Luisa Wolf, die Dramaturgin des Stücks.

Für sie ist diese Rolle eine Premiere, denn normalerweise steht sie als Schauspielerin selbst auf der Bühne. Während wir Fotos machen, kommen Kapi Kapinga Grab von der Regie und Bheki Ndlovu (Choreografie und Musik) hinzu und tanzen mit Luisa auf der Bühne, während der DJ «Every Ghetto, Every City» von Lauryn Hill spielt.

Von links nach rechts: Kapi Kapinga Grab (Regie), Bheki Ndlovu (Choreographie), Luisa Wolf (Dramaturgie)

Das Stück beginnt mit Sätzen aus den Boxen:
«Der Beautysalon ist für uns das, was die Banken für die Schweiz sind, Sicherheit. Wir brauchen mehr sichere Räume für uns und unser Haar.»

Die Auseinandersetzung mit dem Beautysalon und diesem sicheren Raum prägt das Stück und nimmt das Publikum mit auf eine Reise.

Martha Mutapay, Performerin

RaBe Info: Im Stück finden vier Schwarze Personen Geborgenheit und Schutz vor Rassismus in einem Schönheitssalon. Welche Bedeutung haben Beauty Salons für die Schwarze Community?

Luisa Wolf: Schwarzes Haar zu bändigen braucht viel Aufmerksamkeit, viel Liebe, gute Produkte. Und diese kriegt man dann in so einem Beautysalon. Es geht im Stück aber auch darum, dass wir uns feiern. Egal, welche Struktur unser Haar hat, oder ob es jetzt gebändigt ist oder nicht, oder gerade gewaschen, nass oder trocken: Man darf unsere Haare immer feiern. Aber in einer mehrheitlich weissen Gesellschaft ist man von der Haarstruktur her selber ganz anders. Man hat andere Bedürfnisse. Diese werden gestillt in einem Beautysalon.

Egal, welche Struktur unser Haar hat, oder ob es jetzt gebändigt ist oder nicht, oder gerade gewaschen, nass oder trocken: Man darf unsere Haare immer feiern.

So ein Beautysalon wird dieses Wochenende in der Dampfzentrale auf der Bühne nachgespielt. Die Protagonistinnen lassen sich die Haare machen auf der Bühne, währenddessen erzählen sie Geschichten der Schwarzen Schweiz. Was genau sind das für Geschichten, die da erzählt werden?

Es sind Erfahrungen, die wir im Kollektiv gemacht haben, aber auch aus der Sicht des Aktivisten Mo Wa Baile, der dieses Stück auch geschrieben hat. Es ist ein wunderbarer kleiner Einblick entstanden. Es ist eigentlich nur so ein ganz kleines Fenster, das wir da aufmachen, um rein zu gucken.

Mohamed Wa Baile – hat das Stück geschrieben
Luisa Wolf ist die Dramaturgin des Stücks.

Das Team der Produktion besteht fast ausschließlich aus schwarzen Menschen. Ist das eine Seltenheit in der Schweiz?

Es ist eine Seltenheit. In dieser Produktion ist es schon das zweite Stück, das wir produzieren. Es ist einfach schön zu sehen, dass wir einen Raum schaffen, in dem wir uns entspannen können. Gerade wenn es um Rassismus geht ist es wichtig, dass man sich sicher fühlt, dass man die eigenen Erfahrungen teilen darf und dass man gesehen wird. Das führt dazu, dass wir uns gegenseitig diesen Raum geben und gewisse Wunden, die da entstanden sind in einer weissen Gesellschaft, auch heilen dürfen.

Es geht darum, einen Einblick zu zeigen, woran wir gearbeitet haben. Nichts muss perfekt sein.

Ihr seid also ein Team aus mehrheitlich Schwarzen Kunstschaffenden aus der Schweiz. Wie genau lief da die Arbeit hinter der Bühne ab?

Kapi Kapinga Grab, die die Regie macht, hat sich dazu entschieden, nicht in einem klassischen Casting die Performerinnen zu finden, sondern in einem Workshop. In diesem Workshop wurde gemeinsam getanzt, gesungen, gegessen. Es ging darum, sich kennenzulernen. Dann haben wir in einem langen Nachgespräch einfach geschaut, wer gut zusammenpasst. Kapi geht es nicht darum, dass wir ein fertiges, perfektes Stück präsentieren an der Premiere. Es geht darum, einen Einblick zu zeigen, woran wir gearbeitet haben. Nichts muss perfekt sein.

Kapi Kapinga Grab, Bheki Ndlovu und Luisa Wolf

Wenn Sie jetzt der Schweiz einen neuen Haarschnitt verpassen könnten, was genau wäre das?

Gute Frage. Ich wünsche mir für die Schweiz einen offenen Hairstyle. Ein bisschen verrückt, ein Style, der alles inkludiert. Und auch einen Style, der gewagter ist als das Nullachtfünfzehn.

 

 

 

Baba Altenburger, Martha Mutapay, Doris Niragire Nirere und Steffi Lobréau.