Alltag - Kolumne

Ich hinterlasse rostiges Blech und wertlose Papierli

von Peter Steiger 17. Februar 2025

Alt.Mann.Bern Das Berner Genererationenhaus zeigt bis Ende Oktober die erlebenswerte Ausstellung «Hilfe, ich erbe». Das bewegt unseren Kolumnisten darüber nachzudenken, was er selbst hinterlässt. Es ist kümmerlich.

Wie im schönen alten Haus am Bahnhof geht es hier nicht um den Perserteppich oder das Bankkonto, sondern um das, was wir Normalos unseren Nachfolgern immaterielles vererben. Ich habe mir überlegt, was von mir und meiner Familie in Erinnerung bleiben wird. Vorweg: Es ist kein Grund, stolz zu sein.

Der Grossvater war Kunstschmied. Er machte schön geschmückte Gartenzäune und reich verzierte Zinn- und Kupferkannen. Seine Leidenschaft und sein Arbeitseifer galten jedoch spätmittelalterlichen Harnischen, Rüstungen. Sein Bravourstück war eine Nachbildung eines besonders wertvollen Exemplars aus dem Zürcher Landesmuseum. Die Kopie entsprach bis ins kleinste Detail dem Original. Der Kunsthandwerker vollendete das eindrückliche Werk erst kurz vor seinem Tod. Das Ding erschreckte jahrelang in meiner Wohnung die Besucher. Ich stieg zwei, drei Mal in den rostig gewordene Eisenpanzer. Was nicht ganz einfach war. Die Lederriemen, die die Einzelteile verbanden, waren brüchig geworden, ich musste höllisch aufpassen. Der Helm mit Vollvisier drückte, war unbequem und verursachte Platzangst.

Deshalb verkaufte ich die Rüstung für 2000 Franken an einen Antiquitätenhändler in der Berner Altstadt. Ein Amerikaner erstand das sichtbar oxydierte Eisenwerk. Manche Amerikanerinnen und Amerikaner habens mit der Tradition. Manche mit den Waffen. Manche sind reich. Mein Amerikaner demonstrierte all dies zusammen mit der Rüstung meines Grossvaters. Vermutlich hat nie ein Amerikaner ernsthaft in einem solchen Eisending Schutz gesucht. Vielleicht Kolumbus? Wie auch immer. Mein Grossvater hinterliess rostiges Blech.

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Der Vater sammelte Briefmarken. Hä ja, er war ja schliesslich Pöstler. Weil mich die Philatelie nicht interessierte, veräusserte ich die akribisch in vielen Stunden zusammengetragene Sammlung für wenig Geld. Der kundige Käufer meinte, dass ein paar gute Stücke darunter seien, der Rest aber kaum was tauge. Mein Vater hinterliess wertlose Papierli.

Ich, der Sohn, habe viele tausend Artikel geschrieben, meist mittelmässige, viel zu viele schlechte, viel zu wenige wirklich gute. Wie auch immer: Die allermeisten sind längst im digitalen Nirwana verschwunden. Der Sohn hinterlässt vergessene Artikel.

Was kann man vorher tun, um nachher nicht vergessen zu werden? Berühmt werden? Google und ich schätzen die Chancen auf 1 zu 3’000’000. Reich werden? Böse werden? Wir Normalos verschwinden im unendlichen Raum des Vergessens.