«Ich bin ein Stadtkind, ein Altstadtkind sogar»

von Thomas Göttin 14. Oktober 2019

Sie brauche frischen Wind und will diesen gleich selbst in den Nationalrat bringen. Die BDP-Grossrätin Vania Kohli betont im Interview, dass Städte eigene Kompetenzen brauchen und dass grüne Anliegen auch mit Hilfe ihrer Partei mehr Gewicht erhalten sollen.

Kurz vor dem vereinbarten Zeitpunkt für das Interview rauscht Vania Kohli voller Energie heran: Eine herzliche Begrüssung – wir kennen uns aus der gemeinsamen Zeit im Stadtrat – eine kurze Fotosession, und ab in die nächste Beiz zum Interview bei einem Apéro. Gewählt hat sie schon, das sei rasch erledigt gewesen, meint Vania Kohli, von 2008 bis 2011 Stadträtin und 2011 Stadtratspräsidentin, seit 2010 auch Grossrätin für die BDP, Fürsprecherin mit eigener Advokatur und zudem in Stiftungen und Verwaltungsräten sowie für YB und die YB Frauen aktiv: eine Frau, die weiss was sie will.

 

Vania Kohli, du hast viel Erfahrung mit lokaler und kantonaler Politik. Was zieht dich ins Bundeshaus?

Ich will eine starke Vertretung der Stadt und eine bessere Vertretung der Frauen erreichen. Für mich selbst bedeutet es frischen Wind nach der Erfahrung im Stadt- und Grossrat.

Brauchst du frischen Wind?

Jeder braucht das!

Bist du ein Stadtkind?

Ich bin absolut ein Stadtkind, ein Altstadtkind sogar. Kurz nach der Geburt in den Dolomiten kam ich nach Bern, wo ich seit 59 Jahren zu Hause bin. Nein, ein Jahr lebte ich in Muri, und habe fast Depressionen bekommen, worauf der Gemeindepräsident zu mir gesagt hat, das kann ja nicht sein. Stadt, das heisst für mich ein friedliches Nebeneinander in einer grossen Vielfalt.

Was willst du für die Stadt im Nationalrat politisch erreichen?

Eine bessere Wahrnehmung von Bern als politisches Zentrum der Schweiz – auch bei der SRG, wo ich mich gegen die Schliessung des Radiostudios einsetze –  und eine bessere Abgeltung der Aufgaben als Bundesstadt, was zum Beispiel mehr Mittel für kulturpolitische Institutionen wie das Lichtspiel als Filmarchiv oder das Gosteli-Archiv bedeuten könnte.

Nimmst du aufgrund deiner Erfahrungen im Grossen Rat eine gewisse Ignoranz gegenüber den Städten war?

Ignoranz würde ich nicht sagen, aber im Grossen Rat doch eine negative Grundstimmung – bis zum Moment, wo man ein Anliegen aus der Stadt erklärt und sichtbar machen kann, dass es auch für andere Regionen kein Nachteil, sondern vielleicht sogar einen Vorteil bringt. Aber möglicherweise handelt es sich weniger um eine Haltung «gegen» die Stadt als vielmehr um eine Angst in den Regionen, zu kurz zu kommen.

Lässt sich vielleicht sagen, dass in den Städten Lösungen gefragt sind, welche eher von links Unterstützung finden? In einer Stadt kann man ja nicht einfach Strassen verbreitern, sondern muss eher den Verkehr reduzieren…

Das könnte ich so nicht unterschreiben. In den Städten haben die Leute andere Bedürfnisse als auf dem Land. So habe ich mich zusammen mit der GLP dafür eingesetzt, dass die Städte über Gastrobewilligungen selber entscheiden können, etwa beim Egelsee, oder bei Fragen der Beizen- und Ladenöffnungszeiten. Und es gibt immer verschiedene Lösungen für städtische Fragen: Statt Verkehrsreduktion etwa Rahmenbedingungen wie mobility pricing damit sich der Verkehr von selbst reduziert, oder eine Entlastung der Tramlinien in der Innnenstadt, indem die Pendlerströme im Worbbähnli ab Egghölzli von der Tramlinie 8 übernommen werden.

Wie gross ist das Gewicht der Städte auf Bundesebene?

Da sieht es anders aus. Die Städte sind im Bundesparlament mit gewichtigen Stimmen und viel besser vertreten als im Kanton. Hier gibt es dann aber die Konkurrenz unter den Kantonen beziehungsweise unter Städten innerhalb der Schweiz

Was stehst du zur Klimapolitik, dem dominierenden Thema des Wahljahres?

Es ist gut, wenn die Leute endlich wahrnehmen, dass etwas gehen muss, und es ist gut wenn grüne Anliegen wichtiger werden, mehr Solardächer und vieles mehr. Leider geht immer wieder vergessen, dass zum Beispiel der Atomausstieg auf nationaler Ebene nur dank dem Mitwirken der BDP umgesetzt werden konnte. Wir müssen mehr tun und wollen uns nicht von den nächsten Generationen vorwerfen lassen, wir hätten eine Misswirtschaft hinterlassen.

Dein Wunsch für die Wahlen?

Eine Stärkung der Mitte und mehr als 40 Prozent Frauen im Parlament, das heisst, dass möglichst viele Wählerinnen und Wähler Frauenlisten einlegen.

 

Damit packt Vania Kohli den Plastiksack mit dem riesigen Naturwimmelbuch für ihre Grossnichten und -neffen unter den Arm. Den Einkauf im Weltbild, dem einzigen Laden wo ein Wimmelbuch noch zu haben ist, konnte sie gleich mit dem Interview kombinieren. Noch ein Foto in der letzten Abendsonne vor dem Bundehaus? Sicher nicht! Und weg ist sie.