«Ich bin digitalen Angeboten gegenüber kritischer geworden»

von Luca Hubschmied 19. August 2021

Funktioniert Interaktivität online? Diese Frage versuchte die Plattform We-Art-It zu ergründen. Im Interview reflektiert Stefan Maurer die vergangenen Monate.

Ein kleiner Kunstraum im Webspace, eine interaktive Galerie quasi – so präsentiert sich die Plattform We-Art-It, auffindbar unter der gleichnamigen URL . Umgesetzt haben das Vorhaben die beiden Berner Kunstschaffenden Stefan Maurer und Adrien Rihs. Die Idee, in Coronazeiten Kunst zu den Menschen zu bringen, wird hier als Experiment verstanden. Im Interview erzählt Mitinitiant Stefan Maurer von Freud, Leid und Lehren der letzten Monate. Maurer selbst veröffentlichte auf We-Art-It einen «Fotoessay zur Erforschung des Innenraums»; das Publikum wird aufgefordert, sich im Moment des Loslassens zu fotografieren. Daraus entsteht eine Collage von Bildern, öffentlich einsehbar.

Stefan Maurer, zusammen mit Adrien Rihs haben Sie im ersten Lockdown 2020 die online Kunstplattform We-Art-It gegründet. Wie kamen Sie dazu?

Im März 2020, zu Beginn des Schweizer Lockdowns traf ich mich das erste Mal mit Adrien, um diese Idee zu besprechen. Wir kannten uns bereits von früher, und beim Kaffeetrinken entstand der Wunsch, ein Angebot für die Kulturlandschaft zu schaffen, die damals unter den Schliessungen litt. Unser Angebot sollte den Menschen ermöglichen, trotz der Umstände zu Kunst zu kommen. Ich habe schon lange den Ansatz interaktiver Kunst verfolgt. Die Leute beschäftigen sich intensiver damit, wenn sie etwas beisteuern können. Von Anfang an war zudem klar, dass We-Art-It kostenlos erfahrbar sein sollte, wir haben aber eine Spendenfunktion aufgeschaltet.

Das digitale Angebot entstand als Ausweichmöglichkeit?

Ja, definitiv. Und jetzt wollen wir wieder zurück zur physischen Begegnung. Mein Fazit aus dieser Beschäftigung mit digital angebotener Kunst ist durchmischt. Ich bin jetzt digitalen Angeboten gegenüber noch kritischer geworden. Das  ist eine wichtige Erkenntnis aus den letzten Monaten. In einem Projekt zu Kunstvermittlung und sozialen Medien habe ich kürzlich ironisch gesagt, die beste Beschäftigung mit sozialen Medien sei, sich nicht damit zu beschäftigen.

Inwiefern sind Sie beide jetzt noch mit der Plattform beschäftigt?

Die ersten beiden Projekte auf We-Art-It stammten von Adrien Rihs und mir. Nach Abschluss dieser kamen Angebote von acht weiteren Kunstschaffenden dazu. Dort kümmerten wir uns um die Kommunikation und die Koordination von weiteren Projekten auf der Seite. Zudem werden die Inhalte der Besuchenden nicht automatisch auf die Seite geladen, dies übernehmen wir, quasi in einer kuratierenden Funktion.

Ihr schreibt, dass We-Art-It ein Experiment sei, das je nach Resonanz weiterbetrieben werde. Wie ist eure Bilanz?

Die Interaktivität funktionierte nicht wie von uns gewünscht. Einerseits gab es im letzten Jahr viele ähnliche Angebote, die Kunstszene wurde quasi überschwemmt. Zudem scheint die Hemmschwelle, etwas von sich preiszugeben, online tatächlich höher zu liegen. Wenn ich in der Kunstvermittlung physisch vor Menschen stehe, fällt diese meist rasch weg. Online ist der Zugang schwieriger, viele Interessierte haben Berührungsängste. Wenn es darum geht, ein Foto auf Snapchat zu stellen, sind Jugendliche sehr schnell dabei, aber wenn ein kleiner Anspruch gestellt wird – wie bei meinem Fotoessay auf We-Art-It – dann hängen viele ab. Daher freuts mich umso mehr, dass einige Beiträge zusammengekommen sind.

Die Kunstwelt ist aktuell kaum noch von grossen Einschränkungen betroffen. Wie wird das Projekt We-Art-It nun abgeschlossen?

Im Oktober werden wir in einer Ausstellung einen Teil der Werke zeigen. Wir kehren damit zur physischen Form zurück und schliessen gewissermassen den Kreis wieder.

Womit werden Sie sich in der nächsten Zeit beschäftigen?

Aktuell probe ich mit dem Theaterprojekt Vor Ort in der Grossen Halle der Reitschule. Das Stück spielt eine Nacht lang im öffentlichen Raum von der Reitschule bis zur Heiliggeistkirche. Zudem realisiere ich für die Stiftung Contact eine Portraitserie drogenabhängiger Menschen. Beides Projekte also, die auf echte Begegnung setzen.

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Die Ausstellung findet zwischen dem 7. und dem 17. Oktober 2021 in der Off-Space-Galerie Gepard14 in Köniz statt.

Öffnungszeiten:

Vernissage: Donnerstag 7. Oktober, 18 Uhr

Freitag, 8. Oktober, 18 – 21 Uhr
Samstag, 9. Oktober, 14 – 21 Uhr
Sonntag, 10. Oktober, 14 – 19 Uhr
Freitag 15. Oktober, 18 – 21 Uhr
Samstag, 16. Oktober, 14 – 21 Uhr
Sonntag, 17. Oktober, 14 – 19 Uhr

Gepard14
Schützenstrasse 14
3097 Liebefeld

www.we-art-it.ch