Honigstadt

von Janine Schneider 5. Oktober 2023

Bern to be Wild Imkern ist in Bern zu einem beliebten Hobby geworden. Über 120 Bienenstände verzeichnet die Stadt. Das bringt auch gewisse Herausforderungen mit sich.

Von der Strasse her bemerkt man nichts. Der Garten scheint ein ganz gewöhnlicher Garten in einem Berner Wohnquartier zu sein. Hinter der Hecke jedoch summt und brummt es. Da schwirren etwa 240‘000 Bienen durch die Luft, ein emsiges Landen und Abheben, und als Nicht-Biene wundert man sich, wie diese kleinen Tierchen ihren eigenen Bienenstock in diesem Gewusel wiederfinden, zielgenau landen und in einen der vielen Eingänge kriechen, die in den Bienenstock führen.

Die vier Bienenstöcke im Sandrainquartier gehören zu einem von über 120 Bienenständen in der ganzen Stadt Bern. In den letzten Jahren hat die Dichte an Bienenvölkern in den Städten zugenommen. Während schweizweit zwischen 7 und 8 Bienenvölker pro Quadratkilometer gezählt werden, sind es in den Städten mittlerweile 12. «Früher hatte das Imkern auch stark einen landwirtschaftlichen Zweck», erklärt Elisabeth Bigler, Co-Präsidentin des Vereins Imkerinnen und Imker Bern und Umgebung, «Es diente zur Bestäubung der Felder und Gärten. In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich das Interesse fürs Imkern in die Städte verlagert.»

Ein honigreiches Jahr

Auch Jonas ist einer von denen, die in den letzten zehn Jahren mit dem Imkern angefangen haben. Von Beruf Jurist und Mediator, wurde er vor neun Jahren vom Imkervirus infiziert. Zuerst konnte er bei einem Freund, der einige Bienenstöcke in Bümpliz hatte, anlernen. Heute hat er seine eigenen vier Bienenstöcke im Garten des Mehrfamilienhauses, in dem er wohnt.

Ich rieche, wenn sie wütend sind.

Spannend finde er besonders das unterschiedliche Verhalten der Bienen. «An manchen Tagen öffne ich den Bienenstock und kann sogleich riechen, dass sie heute wütend sind», erklärt der Hobbyimker. Das könne wegen eines kommenden Gewitters sein oder weil gerade eine sogenannte Trachtlücke besteht, und sie deswegen zu wenig Futter haben.

Bei diesem Bienenvolk hat Jonas die Eingänge auf zwei reduziert, damit sie sich besser verteidigen können. (Foto: Janine Schneider)

«Imkern braucht mehr Zeit, als man anfangs denkt», so Jonas. Seit er Bienen habe, könne er im Frühling und Sommer auch nicht mehr einfach so für längere Zeit in die Ferien.

Im Frühling kann es auch zum Ausschwärmen kommen.Wenn ein Volk besonders stark ist, wird eine neue Königin herangezüchtet. Schlüpft diese, schwärmt die alte Königin mit einem Teil des Bienenvolkes aus. Wenn man Glück hat, dann kann man diesen Schwarm wieder einfangen und ihn in einem neuen Bienenhaus ansiedeln. So sind aus den ursprünglich drei Völkern dieses Jahr vier geworden. «Mehr möchte ich in diesem Garten nicht haben», so Jonas. Die vier Völker produzieren auch so schon viel Honig. Dieses Jahr war besonders gut. «Fast 100 Kilogramm Honig konnte ich ernten.»

Mythos Bienensterben?

«Nicht zuletzt war es auch der Film ‚More than Honey‘, der die Leute dazu inspirierte, etwas für die Bienen zu tun», erläutert Elisabeth Bigler. Im 2012 herausgekommenen Film gehen der Regisseur Markus Imhoof und sein Team dem postulierten weltweiten Bienensterben nach. In der Schweiz kann jedoch nicht von einem Bienensterben gesprochen werden, wie die Organisation Bienen Schweiz in ihrem Faktencheck ganz klar feststellt. Auch Elisabeth Bigler betont: «In der Schweiz gibt es kein Bienensterben. Im Gegenteil: In Bern zum Beispiel haben wir schon eher fast zu viele Honigbienenvölker.»

In der Schweiz gibt es kein Bienensterben.

Das könne eine Herausforderung sein, denn durch die hohe Dichte müsse die Gesundheit der Völker und die Ausbreitung von Seuchen sehr gut überwacht werden. Das wird sie aber auch. «Jedes Bienenvolk muss beim Kanton gemeldet werden», erklärt Jonas, «Dies ist insbesondere für die Seuchenkontrolle- und Eindämmung wichtig.» Von Seuchen wurden Jonas‘ Völker bis jetzt allerdings verschont.

Ganz anders sieht das Bienensterben hingegen bei den Wildbienen aus. Diese sind stark bedroht. Wie Bienen Bern feststellt, fehle es neben dem mangelnden Blütenangebot und der Pestizidbelastung vor allem an geeigneten Nistgelegenheiten für diese Insekten, die als Einzelgänger unterwegs sind. Auch Elisabeth Bigler betont deshalb: «Um etwas für die Bienen zu tun, muss man nicht Honigbienen halten, sondern kann durch einen biodiversen Garten schon viel bewirken.»

Bevor der Winter kommt, wird Jonas die oberen Kästen abnehmen und so den Raum für die Bienen eingrenzen. (Foto: Janine Schneider)

Jetzt im September ist es ruhig geworden für Jonas. «Am besten lasse ich sie jetzt in Ruhe», erklärt er. Für die Bienen gibt es jedoch noch viel zu tun auf den Winter hin. Und Herbst ist auch die Zeit der Räubereien. Fremde Bienen versuchen in die Stöcke einzudringen und Honigwaben zu stehlen. «Das geht ziemlich brutal zu und her», so Jonas.

Um die beiden schwächeren Völker zu schützen, hat er deshalb die die Eingänge verkleinert. «So können sie sich besser verteidigen.» Bald schon wird es für ihn Zeit, die Bienenstöcke für den Winter vorzubereiten. Aber noch scheint die warme Herbstsonne und die Bienen fliegen dem Himmel entgegen, immer noch auf der Suche nach Pollen.