Bereits im Juni kamen wir dieses Jahr so richtig ins Schwitzen. Und die nächste Hitzewelle bahnt sich schon wieder an. Nach einzelnen Modellrechnungen könnte es nächste Woche beidseits der Alpen über 35 Grad heiss werden und Tropennächte sind möglich. Das bedeutet, die Mindesttemperatur fällt in der Nacht nicht unter 20 Grad.
Zudem ist die Hitze in der Stadt noch stärker spürbar als auf dem Land. Grund dafür ist der Hitzeinseleffekt. Städte absorbieren mit ihren vielen versiegelten Flächen und der dichten Bauweise die Sonneneinstrahlung viel besser als das umliegende Land und somit heizen sich die Städte noch mehr auf.
Klimawandel, hitzige Debatten und Feuer. Unsere Sommerserie steht ganz im Zeichen der Hitze.
Bisher erschienen:
Das Film-Ding 002: Der hitzige Filmprojektor
Heisse Grenze im kühlen Norden
Wie sehr brennen Berner*innen für die Fussball-EM der Frauen?
Kleine Risse entstehen im Asphaltmoloch
Das Stadtklima erfassen
Die offizielle Messstation von Meteo Schweiz für die Temperaturen in Bern liegt in Zollikofen auf einer grossen Wiese. Diese Messungen zeigen aber nicht wirklich das Stadtklima von Bern, sondern das Klima in Zollikofen. Um das Stadtklima besser zu erfassen und die Unterschiede zur Station in Zollikofen zu messen, unterhält die Universität Bern seit 2018 ihr eigenes Messnetzwerk in der Stadt. Die Gruppe für Klimatologie der Universität Bern untersucht den Hitzeinseleffekt, indem Sie über die ganze Stadt verteilt 80 Messstationen betreibt, die von Mai bis September alle 10 Minuten die Lufttemperatur erfassen. Jeden Monat müssen die Messstationen von den Forschenden einzeln abgefahren werden, um die Daten abzulesen.
Einer dieser Forschenden ist Moritz Burger, Doktorand am Geographischen Institut an der Universität Bern. Ende Juni stellte Burger im kühlen Keller der Bibliothek Münstergasse seine Forschung zu Hitzeinseln in Bern vor. Schnell kam in der Diskussion die Frage auf, was denn der Nutzen dieser Daten sei? «Die Daten sind öffentlich zugänglich. Sie sollen in Zukunft auch von Stadt- und Raumplanern genutzt werden können», meint Burger dazu. Denn das Wissen, dass an Universitäten generiert wird, solle der Öffentlichkeit zugutekommen und nicht an den Unis in einem stillen Kämmerchen verstauben.
Diesem Gedanken folgend hat die Uni Bern auch einen Hitzespaziergang zusammengestellt. Der interaktive Hitzespaziergang führt von der Grossen Schanze über den Bubenbergplatz, das Monbijou Quartier bis zum Eigerplatz. Mithilfe einer App erhalten die Spaziergänger*innen in verschiedenen Videosequenzen Informationen zum Thema Hitze und können dieses in einem Quiz gleich selber anwenden.
Wieso baut die Stadt überhaupt noch solche komplett versiegelte Betonwüsten? Burger erklärt, dass Grossprojekte in der Regel von der Planung bis zur Realisierung einen langen Zeitraum in Anspruch nehmen, zum Teil über zehn Jahre. «Als viele dieser Projekte starteten, war die Sensibilisierung für das Thema des Stadtklimas und der Hitze noch nicht vorhanden», so Burger.
Entsiegeln, Begrünen und Aufhellen
Wie kann Stadtplanung diesem Hitzeinseleffekt entgegenwirken? Für Burger gibt es dabei verschiedene Lösungsansätze, die auch miteinander kombiniert werden können. Die Entsiegelung spielt dabei eine grosse Rolle. «Bei entsiegelten Flächen kann das Regenwasser wieder in den Boden abfliessen und wird dort gespeichert. Diese Flächen kühlen somit besser ab als versiegelte Betonflächen und helfen, dem Hitzeinseleffekt entgegenzuwirken», erklärt Burger.
Dabei gebe es verschiedene Stufen der Entsiegelung. Kiesflächen seien am einfachsten zu realisieren, bringen aber einen vergleichbar kleinen Effekt. Am besten sei eine Grünfläche mit Bäumen, die Schatten spenden und somit den grössten Kühlungseffekt haben. Weitere Massnahmen könnten helle Flächen sein, welche die Hitze weniger speichern. Auch Dach- und Fassadenbegrünungen haben Burger zufolge einen guten Effekt.
Was in Bern passiert
An verschiedenen Orten in Bern wird nun versucht dem Hitzeinseleffekt entgegenzuwirken. Es gibt unzählige Beispiele von Plätzen, die komplett versiegelt sind und an heissen Tagen unerträglich heiss werden. Man denke beispielsweise an den Ansermetplatz in der Nähe des Westsides bei der Tramstation Gäbelbach. Noch vor einigen Jahren waren dort weit und breit nur versiegelte Betonflächen zu sehen. Nun spenden Bäume auf verschiedenen kleinen entsiegelten Flächen Schatten. Seit einiger Zeit laufen Versuche, den Platz grüner, kühler und vor allem lebenswerter zu gestalten. Dieses Jahr wurde ein Palettenlabyrinth für Kinder gebaut und der Platz soll zu einem Quartiertreffpunkt werden, der zum Verweilen einlädt. Mehr dazu hier.
Im Wankdorf, soll auf Initiative von Mitarbeitenden der SBB der Rosalia-Wenger-Platz lebenswerter gestaltet werden (Journal B berichtete).
Ebenso sollen am Helvetiaplatz Teilflächen entsiegelt und der Ort somit lebenswerter und weniger heiss werden.
Weiter lancierte die Stadt Bern Ende 2021 den Ideenwettbewerb «Berner Oasen»: Bewohner*innen der Stadt konnten ihre Ideen für eine befristete Umnutzung eines Parkplatzes oder eines öffentlichen Platzes einreichen. Dabei entstand in der Nähe des Eigerplatzes, am Philosophenweg eine kleine Oase, wo symbolisch eine Fläche entsiegelt wurde.
Die Stadt ist nun gefordert
All diese Beispiele haben sicherlich einen wichtigen Symbol- und Vorbildcharakter, jedoch ist die Stadt nun auch gefordert, die Stadtplanung im grossen Stil an die Problematik der Hitze anzupassen. Ein positives Zeichen in diese Richtung kam aus verschiedenen Anträgen von links-grüner Seite anfangs Juni im Stadtrat. Der Bären- und der Waisenhausplatz werden in den kommenden Jahren umgestaltet und dabei soll geprüft werden, ob «über die vorgesehenen zusätzlichen Bäume hinaus stärker begrünt werden kann», wie es im entsprechenden Antrag heisst. «Zu prüfen sind insbesondere zusätzliche Bäume, Grünflächen, Pflanztöpfe, Kletterpflanzen und Fassadenbegrünungen», heisst es weiter. Ausserdem soll geprüft werden, ob die einzige bestehende Grünfläche, der Garten des Polizeigebäudes, im Rahmen der Umgestaltung in einen öffentlich zugänglichen Park verwandelt werden kann.
Flächen zu entsiegeln und Orte lebenswerter zu gestalten, dieses Ziel verfolgt auch die Stadtklimainitiative in Bern, die momentan Unterschriften für ihr Anliegen sammelt. Die Initiative fordert, dass die Stadt «bis 2032 pro Jahr 0.5% der öffentlichen Strassenräume gegenüber dem Stand von 2022 entsiegelt und begrünt». Gleichzeitig, so fordert es die Initiative, sollen pro Jahr 1% der Strassenfläche in neue, klimaangepasste Begegnungsorte und Zonen mit hoher Aufenthaltsqualität umgewandelt werden.
Die Suche nach geeigneten Lösungen wird die Stadtpolitik also noch einige Male ins Schwitzen bringen. Dabei braucht es konkrete Projekte genauso wie eine Gesamtstrategie. Denn bereits in den kommenden Wochen könnte uns bewusst werden, wie drängend das Problem ist.