Hinter jedem Rüebli steckt viel Arbeit

von Simon Klopfenstein 26. April 2013

Jede Woche einen Korb gefüllt mit frischem Gemüse aus der Region. Der Berner Verein «soliTerre» machts möglich. Ein ausführliches Gespräch über Vertragslandwirtschaft mit der Konsumentin Andrea Gerber und dem Produzenten Philipp Zaugg.

Andrea Gerber und Philipp Zaugg sitzen an gegenüberliegenden Seiten des Tisches – ziehen aber am selben Strang. Sie: Konsumentin. Er: Produzent. Und ihr Ziel ist dasselbe: Den Verein «soliTerre» weiterhin lebendig gestalten und damit auch Anstösse für weitere Vertragslandwirtschafts-Projekte geben können.

Projekte wie «soliTerre» werden in der Fachsprache als Vertragslandwirtschaft bezeichnet. Dabei schliessen Konsumenten und Produzenten – in diesem Fall meist Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt Bern und Bauern aus dem näheren Umland – Verträge über Nahrungsmittelbezug ab. Die Konsumenten verpflichten sich für ein Jahr, und erhalten jede Woche einen Korb, gefüllt mit lokalem Biogemüse, Biofrüchten oder ab und zu auch einem guten Stück Käse oder einem Laib Brot. Abholen kann man die Körbe jeweils in einem Quartierzentrum. Der Weg ist also nicht weiter, als jener in den Supermarkt.

Philipp Zaugg, gerade mal 26 Jahre alt, hat im Januar 2013 zusammen mit seinem Bruder den Bauernhof der Eltern in Iffwil übernommen. Der Hof ist einer von sechs Produzenten des «soliTerre-Netzwerks und ist seit Beginn 2009 mit dabei. Schon seit 30 Jahren wird der Hof nach Bio-Standards bewirtschaftet. Zauggs Eltern wurden damals als Hippies abgestempelt und ausgelacht: «Die Leute haben ihnen gesagt, der Bio-Standard werde sich nicht rentieren».

«Die Leute haben ihnen gesagt, der Bio-Standard werde sich nicht rentieren»

Philipp Zaugg

Heute ist Zauggs Hof zwar nicht der Grösste im kleinen Bauerndorf, aber der mit den meisten Angestellten (20, davon zwölf Vollzeit) und das Geschäft steht auf einem finanziell sehr stabilen Fundament. Das Erfolgsrezept ist einfach: Hier wird nicht bloss produziert, sondern auch verarbeitet und veredelt. Die politisch umstrittenen Subventionen, die sich ausschliesslich nach der Fläche richten, machen dementsprechend einen minimen Anteil an den Einnahmen aus.

Andrea Gerber, Didaktikerin an der FHNW in Olten, wurde aus der Überzeugung «lokale und saisonale Produkte zu konsumieren», Mitglied bei «soliTerre». Je mehr sie darüber erfuhr, desto mehr realisierte Gerber, dass «soliTerre» ein Projekt ist, hinter dem sie voll und ganz stehen kann und sich engagieren will. Seit 18 Monaten teilt Gerber mit Zaugg das Co-Präsidium des Vereins. Pro Woche verteilt der Verein etwa 200 Körbe in der Stadt Bern. Mit diesen Zahlen sind sowohl Gerber als auch Zaugg mehr als zufrieden: «Die Leute wollen vermehrt wissen, woher ihre Produkte genau stammen.» Ein Ziel von Andrea Gerbers Engagement bei «soliTerre» ist die Leute bezüglich Beschaffungs- und Produktionsprozessen von Nahrungsmitteln zu sensibilisieren: «Wir organisieren Events und haben auch eine Informationsbroschüre».

Gemeinsame Preispolitik

Ein weiterer Vorteil als Mitglied bei «soliTerre» ist, dass es immer wieder zu Versammlungen zwischen den Konsumenten und Produzenten kommt. Dort werden die Preise gemeinsam festgesetzt. Ziel der gemeinsamen Diskussionen ist es, für beide Seiten faire Preise zu vereinbaren. Stabile Preise, die nicht nach den Bedürfnissen des Marktes spielen, sondern nach tatsächlichen Produktionskosten berechnet sind. Oft wissen die Konsumenten auch gar nicht, wie viel Arbeit hinter einem «Rüebli» steckt. Solche Erfahrungen können den Leuten neue Alternativen aufzeigen und eventuell zu einem gesellschaftlichen Umdenken führen.

«Wir organisieren Events und haben auch eine Informationsbroschüre»

Andrea Gerber

Von einem rasantem Vereinswachstum wollen Konsumentin Gerber und auch Produzent Zaugg nichts wissen. Die Produktion von Zauggs Hof ist so hoch ausgelastet, dass sie sogar extra Futter für ihre Kühe kaufen müssen, da der grösste Teil des Landes für Gemüseproduktion genutzt wird. Seine Produkte wird Zaugg alle los: 5 mal pro Woche hat der Hof einen Stand auf dem Markt, wo etwa 80 Prozent der Produktion ihren Absatz findet. Die restlichen 20 Prozent gehen zu kleineren Abnehmern wie «soliTerre». Das Ziel der beiden Co-Präsidenten ist simpel: «soliTerre» so gut weiterführen wie bis anhin, und ab und zu bei jemandem ein bisschen mehr Bewusstsein schaffen, wenn er das nächste Mal herzhaft in ein «Rüebli» beisst.