Genet Zegay – Schauspielerin
18:00 Uhr: Ich begleite Genet im Bus Richtung Köniz. Es ist Ende November, draussen ist es schon früh dunkel und die Schauspielerin liest in ihrem Skript «Ein Leben». In einer Stunde steht sie auf der Bühne vor ausverkauften Rängen.
Wir gehen durch die Vidmarhallen. Wo früher Tresore aller Art hergestellt wurden, haben heute Handwerksbetriebe und ein Restaurant sowie die Spielstätten und Proberäume von Bühnen Bern eine neue Heimat gefunden.
Vor der Vorstellung hinter der Bühne (Foto: David Fürst).
Im Aufenthaltsraum treffen wir auf Jeanne Davos und Jan Maak, die wie Genet zum Schauspiel- Ensemble gehören. «Wer muss in die Maske? Wer war schon?»
Kritik in der Garderobe
Genet geht in die Maske und trifft in der Garderobe auf Nikola Weisse. Beide lesen nochmals Textstellen und unterhalten sich danach über die Kritik ihres Schauspiels in der WOZ. «Die Kritik war an sich ganz gut, aber auch etwas schwammig» sagt Nikola.
Der Titel des Artikels «Unbehagen in den Rängen» beschäftigt Genet und Nikola. Immer wieder kommt es vor, dass Zuschauende den Saal verlassen, weil die Themen Schwangerschaftsabbruch und sexualisierte Gewalt dargestellt werden und dies triggern kann. Genet findet es wichtig, dass in der Einführung auf die Themen sensibilisiert wird und es explizit erwähnt wird, dass Menschen den Raum verlassen dürfen. Im Artikel wurden die Schauspieler*innen nicht erwähnt, was die beiden etwas ärgert.
Anja Wiegmann – an ihr kommt niemand vorbei
18:20 Uhr: Die Maskenbildnerin Anja Wiegmann kennt Genet seit zwei Jahren und ihr Umgang ist herzlich. «Sie ist mein Liebling» sagt Anja.
Anja Wiegmann an ihrem Arbeitsort (Foto: David Fürst).
Die Maske ist Dreh- und Angelpunkt hinter der Bühne. Alle Schauspieler*innen kommen hier vorbei und Anja hat immer ein offenes Ohr. «Sie ist manchmal nicht nur Maskenbildnerin, sondern auch Psychologin» meint Genet.
Je nach Rolle, kann es bis zu einer Stunde dauern, bis die Maske sitzt. «Wir haben beide eine Weile gebraucht, bis wir in Bern angekommen sind» sagt Anja. Beide arbeiteten und lebten in Deutschland und mussten sich an die zurückhaltende Mentalität hier in Bern erst gewöhnen, was sie jetzt umso mehr verbindet.
Michael Rietman – Bühnentechniker und gute Seele
18:40 Uhr: Michael Rietman, der Bühnentechniker, ist zwei Meter gross. Er fährt jeden Morgen von Interlaken ins Liebefeld und alle mögen ihn.
Er ist dafür verantwortlich, dass alle Schauspieler*innen zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind. Mit einem Headset ausgerüstet, ist er der Verbindungspunkt von Regie und Backstage. Heute halten sich die Requisiten in Grenzen, welche auf die Bühne getragen werden müssen. Michael zeigt mir während der Vorstellung die Schreinerei, den Regieraum und den Aufenthaltsraum der Bühnentechniker*innen. Diese befinden sich über der Schreinerei und sind mit einer kleinen Küche mit Dartspiel ausgestattet. Schon sein Vater sei Bühnenmeister gewesen und habe hier gearbeitet, erzählt Michael, der inzwischen auch schon seit 10 Jahren dabei ist.
Einspielen – alle auf ihre Weise
18:45 Uhr: Nun ist das Ensemble zusammen. Isabelle Menke, Jan Hensel, welcher noch an der HKB Schauspiel studiert und Nikola Weisse, die ihr Schauspieldebüt bereits 1963 am Theater an der Josefstadt in Wien gab. Alle versammeln sich auf der Bühne. Jede*r hat seine eigene Art, sich aufs Spiel vorzubereiten: Jan z.B. mobilisiert seine Beine, steht am Seitenrand und atmet konzentriert. Isabelle macht tänzerische Bewegungen. Jeanne und Genet sprechen Dialoge durch.
Der Notfallschirm für die Spielenden – Souffleuse Sabine Bremer
18:50 Uhr: Sabine Bremer betritt die Bühne und richtet sich ihren Platz in der vordersten Zuschauerreihe ein. Ein grosses Buch, ein kleiner oranger Hocker, eine Lesebrille und eine Taschenlampe sind ihre Werkzeuge. Wenn Schauspieler*innen den Text vergessen, greift Sabine ein. «Das war bis jetzt noch nicht nötig» sagt sie. Ohne sie würde es trotzdem nicht gehen. Schon ihre Anwesenheit gibt den Schauspielenden Sicherheit.
Es geht los!
19:05 Uhr: «Schauspieler bereit für den Eingang» tönt es aus einem Lautsprecher. Die Regie gibt Anweisungen. Michael, der Bühnenmeister, steht bereit und gibt Acht, dass alle da sind. Die Leute sitzen auf den Rängen. Da der Saal ausverkauft ist, fängt die Vorstellung etwas verspätet an. Das Licht erhellt die Bühne, das Stück beginnt mit der Lebensgeschichte der Schriftstellerin Annie Ernaux. Ihre Person wird, dem Alter entsprechend, durch Genet, Jeanne, Isabelle und Nikola verkörpert. Das heisst, alle vier Künstlerinnen spielen einen anderen Lebensabschnitt der Autorin.
Cora Liechti und Nadine Mrkwitschka wirken hinter der Bühne
Alles muss am richtigen Ort sein. Das ist eine der Aufgaben von Cora Liechtig, die für die Requisiten zuständig ist. In der kleinen Werkstatt baut und repariert sie vieles. «Während dem Spiel haben wir oft nicht so viel zu tun, aber danach Räumen wir alles weg und bereiten alles für den nächsten Spielabend vor» sagt Nadine Mrkwitschka.
Nach dem Spiel
20:50 Uhr: «Nach der Vorstellung brauche ich immer etwas Zeit um wieder ruhiger zu werden und bleibe noch eine Weile wach, obwohl ich hundemüde bin» sagt Genet, die nach 90 Minuten müde aber glücklich lachend in die Garderobe läuft. Es gab viel Applaus, nun verfolgen alle Spielenden ihre eigene Routine um sich von der Bühne zu erholen. Einige tauschen sich aus, wie Genet und Jeanne, andere packen zusammen, gehen nach Hause. An diesem Abend versammeln sich die meisten noch auf einen Feierabend-Drink im hauseigenen Lokal.
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Der Morgen danach – «Eine unendliche Geschichte»
10:00 Uhr (für einige fast noch Nacht): Wir betreten die Probebühne. Vor der breiten Fensterfront versammeln sich die Schauspieler*innen Genet Zegay, Isabelle Menke, Linus Schütz, David Berger, Lou Haltinner und Jan Hensel an einem langen Tisch. Vor ihnen liegen Bücher, Laptops, Kaffeetassen, koffeinhaltige Getränke und Requisiten. Ein neues Stück wird geprobt. Der Regisseur und Schauspieldirektor Roger Vontobel gibt Anweisungen, Ilinca Purica macht Regieassistenz und Matthias Herrmann begleitet das Spiel am Cello. Es bleiben noch knapp drei Wochen – dann feiert das neue Stück «Eine unendliche Geschichte» am 8.12.23 im Stadttheater Premiere.