Himmelfahrtskommando: Heimatfilm im Hollywood-Kostüm

von Esther Fischer-Homberger 25. März 2013

In der schwarzen Komödie über ein finanziell angeschlagenes Dorf vermischen sich die Stile Schweizer Heimatfilm und Hollywood-Thriller zu einem grotesken Hybrid.

Der brave alte Briefträger (Walter Andreas Müller) verteilt zuverlässig und diskret die Post, kennt alle, tauscht mit allen ein freundliches Wort. Nur Frau Frei ignoriert ihn und braust mit ihrem Wagen grusslos an ihm vorbei. Derweil ihr Gatte Herr Gemeindepräsident Guido Frei (Beat Schlatter) sein Dorf «Gottlinge» am Walensee sicher durch die Zeiten navigiert. Es kommen jedoch Wirbel in den Gleichstrom der dörflichen Gewohnheiten und in einem Wirbelsturm wird die Ruhe enden.

Schweizer Dorf in globalen Spannungsfeldern

Denn das kleine Schweizer Dorf, bewohnt von Menschen aus allen Landesteilen und aller Herren Länder, steht in den Spannungsfeldern der grossen Welt, des grossen und kleinen Geldes und der sittlichen und religiösen Aufbrüche seiner Zeit. Der Knecht des Geflügelbauers ist ein Russe oder Tschetschene – im Dorf fragt man sich, was da genau der Unterschied sei – der Pfarrer ist ein halbverrückter Zyniker, die Bäckerin macht sich öko-politische Gedanken über die Herkunft ihres Kakaos.

Der Gemeindepräsident selber schliesslich hat ein leerstehendes – oder doch offiziell leerstehendes – gemeindeeigenes Haus weit oberhalb des Dorfes an eine Gruppe junger Leute aus den USA und ihren bärtigen Anführer vermietet. Es sind neun Mitglieder einer amerikanischen Sekte, die, immer weiss gekleidet, von den Quellen der Weisheit und von Energien reden und zu Gitarrenspiel tanzen und zu singen pflegen, auch am Dorffest. Der Gemeindepräsident Frei ist stolz auf seine interkulturelle Leistung, diesen Fremden eine neue Heimat gegeben zu haben – zumal sie einen ungewöhnlich hohen Mietpreis bezahlen, dank dessen verschiedene Projekte im Dorf realisiert werden können. Und da ist noch mehr. Dieses Geld sei gestohlen, meint der Hühnerbauer von zuoberst im Dorf (Andrea Zogg), er hält die Spirituellen für ein Teufelspack.

Gottlingen meets Hollywood

So wie in Gottlingen sehr heterogene Menschen aufeinander treffen, mischt sich auch dieser Schweizer Heimatfilm unversehens mit dem Hollywood-Thriller zu einem oftmals grotesken Hybrid. Es gäbe keinen passenderen Ort in Bern, ihn zu zeigen, als in einem der elf Säle im Pathé Westside. Dennis Ledergerber, der Regisseur selbst, ist 1987 in Santa Monica geboren und erst mit fünf Jahren in die Schweiz – nach St. Gallen gekommen. Santa Monica, im Grossraum von Los Angeles an der Küste des Pazifik gelegen, ist ein beliebter Drehort für Hollywood-Produktionen. Das Drehbuch für das «Himmelfahrtskommando» beruht auf einer Vorlage des Appenzeller Autors Stefan Millius, Ledergerber hat es zusammen mit Millius erarbeitet.

«Himmelfahrtskommando» ist eine Low-budget-Farce über eine überforderte und korrupte Schweizer Dörflichkeit, in einzelnen Kapiteln erzählt, unterhaltend; das Geschehen an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten wird im Lauf des Films zu einem grösseren Bild verwoben. Mit Beat Schlatter und Walter Andreas Müller hat der junge Filmer zwei altbewährte Hauptdarsteller gewonnen, welche – gleichsam als «Participant Observers» – die Schweizer Männer über Jahre genau studiert, imitiert und parodiert haben.