Mit Federboas um den Hals, in Schaffneruniformen gekleidet und mit Koffer im Schlepptau drängten die Menschen am Samstagabend in die Heitere Fahne. Diese hatte gerufen, zum fünfjährigen Jubiläum unter dem Motto «Heitere-Orient-Express» im Stile der 10er und 20er Jahre. Auf der Bühne gaben sich während der zweistündigen, rauschenden Jubiläumsshow die lokalen Grössen die Klinke in die Hand. Timmermahn, Hoschi Ursula Hostettler, Eve Lyn Scheiben und viele mehr gaben sich die Ehre, die Bühne zum Geburtstag des inklusiven Kulturhauses in Wabern zu bespielen. Bei so viel Festlaune standen finanzielle Sorgen der Heiteren Fahne für einmal im Hintergrund, dabei liegen hinter der Heitere einige bewegte Monate.
Gut 30 Personen arbeiten zu einem Minimallohn von 1500 Franken im Betriebsteam der Heiteren Fahne in Wabern, pro Jahr kommen an die 100 Freiwillige an verschiedensten Anlässen dazu. Dass die wilde und liebenswerte Kulturstätte funktioniert, ist auch ihnen zu verdanken. Oder wie es Olivier Eicher vom Betriebsteam im Sommer ausdrückte: «Was wir machen, funktioniert sehr gut. Aber nur weil wir alle, die hier arbeiten, uns selbst ausbeuten.» Für Verbesserungen in der Infrastruktur und eine längerfristige Planung fehlte die letzten Jahre schlicht die finanzielle Sicherheit.
Deshalb lancierte die auf Könizer Gemeindeboden gelegene Heitere Fahne anfangs Sommer eine gross angelegte Kampagne unter dem Titel «5 Heitere Kulturprozent» (Journal B berichtete). Damit wollte man «die eigene Existenz zur Diskussion stellen». Die Heitere Fahne forderte, an Kulturgeldern der Stadt Bern beteiligt zu werden und von der Gemeinde Köniz mit etwas mehr als den bisherigen 15‘000 Franken pro Jahr unterstützt zu werden. In der Zwischenzeit ist einiges passiert. Im Juni erhielt die Heitere Fahne den Kulturpreis des Kantons Bern. Damit zeichnete der Kanton unter anderem den «fast uneingeschränkten partizipativen Ansatz» der inklusiven Kulturstätte aus.
Einige Wochen später beschloss die Gemeinde Köniz, nach einer überparteilichen Motion des Gemeindeparlaments, ihren jährlichen Unterstützungsbeitrag für die Heitere Fahne auf 35‘000 Franken pro Jahr zu erhöhen. Ein Entscheid, der insbesondere überraschend war, da gleichzeitig eine Steuererhöhung für das Jahr 2019 abgelehnt wurde und das Parlament seinen Sparwillen durch Kürzungen in anderen Bereichen manifestiert hatte.
Auch die römisch-katholische Kirche der Region Bern entschied diesen Herbst, die Arbeit der Heiteren Fahne auch in den Jahren 2019 und 2020 mit je 70‘000 Franken zu unterstützen, wie sie es bereits im laufenden Jahr getan hatte. Weiterhin auf Mithilfe angewiesen ist die Heitere Fahne bei ihrem Crowdfunding. Dieses hat soeben die 50%-Marke geknackt. Bei all diesen guten Neuigkeiten könnte man fast meinen, die Geldsorgen des bunten Hauses am Fusse des Gurtens seien vom Tisch. Das relativiert Rahel Bucher vom BetreiberInnenkollektiv Frei_Raum im untenstehenden Interview. Es handle sich zwar um schöne Entwicklungen, doch der finanzielle Druck sei nun nicht einfach weggefegt.
Rahel Bucher, im Juni hat die Heitere Fahne eine Kampagne gestartet und 5 Kulturprozent von den Gemeinden Köniz und Bern gefordert. Was hat die Aktion gebracht?
Es ist gelungen, eine Diskussion rund um den inklusiven Kulturort auszulösen und die vielen positiven Rückmeldungen haben gezeigt, dass die Heitere Fahne ein wichtiger Ort im Berner Leben ist. Auf der Webseite, die wir für die Aktion aufgeschaltet haben, sind unglaublich viele und wunderbare Statements von Menschen zusammengekommen, denen die Heitere Fahne viel bedeutet.
Auch auf politischer Ebene habt ihr damit etwas bewirken können.
Von der Gemeinde Bern etwa wurde uns der Wille zur weiteren Unterstützung signalisiert. So dürfen wir zum zweiten Mal auch einen Teil unseres Jahresprogramms bei der Stadt eingeben. Eine erfreuliche Entwicklung und wir werden sehen, was daraus wird. Ein verbindlicher Leistungsvertrag mit der Gemeinde Bern scheint vorerst nicht realistisch.
Wie steht es um die Gemeinde Köniz?
Im August hat das Gemeindeparlament entschieden, die Unterstützung für die Heitere Fahne auf 35‘000 Franken jährlich zu erhöhen. Das hat uns enorm gefreut. Ursprünglich haben wir kaum geglaubt, in der Gemeinde Köniz so kurzfristig etwas bewirken zu können. Wahrscheinlich hat uns dabei auch geholfen, dass wir durch den Kulturpreis des Kantons Bern, den wir im Sommer entgegennehmen durften, an Rückhalt und Glaubwürdigkeit gewonnen haben.
Auch die römisch-katholische Kirche der Region Bern hat entschieden, die Heitere Fahne die nächsten zwei Jahre mit je 70‘000 Franken zu unterstützen. Also tatsächlich ein ‚Geldsegen‘ wie in anderen Medien zu lesen war?
Die Unterstützung der katholischen Kirche freut uns sehr und ist enorm wichtig für uns. Langfristig planen lässt sich aber trotzdem noch nicht ganz. Es ist für die Heitere Fahne wichtig, in den nächsten Jahren eine nachhaltige Finanzierungslösung – also eine bunte Mischung verschiedenster Partner und Unterstützungsbeiträge sowohl aus Kultur als auch aus dem Sozialen – zu finden. Wir sind immer auf der Suche nach guten Ideen und kreativen Lösungen. Wer eine hat, darf sich gerne bei uns melden.
Zumindest scheint der finanzielle Druck für den Moment ein wenig kleiner als auch schon. Wie könnt ihr diese Verschnaufpause nutzen?
Der finanzielle Druck ist nicht einfach weggefegt. Das liebe Geld wird uns auch in Zukunft nicht loslassen, aber bei uns geht es ja um viel mehr als das. Wichtig ist uns, in nächster Zeit vermehrt an unseren internen Prozessen zu arbeiten. Das Projekt Heitere Fahne steht und fällt auch damit, wie es dem Team geht und wie wir uns organisieren. Oft spulen leider auch wir im Hamsterrad und haben im turbulenten Alltag nur wenig Gelegenheit, zu reflektieren. Aus diesem Grund haben wir nun das Programm am Mittwochnachmittag vorübergehend gestrichen und nutzen diesee Zeiten für das Wirken gegen innen. Wir wollen daran arbeiten, dass die Heitere Fahne nicht das einzige inklusive Kulturhaus bleibt, sondern dass sie ein Modell werden kann, das auch andere inspiriert. Zudem möchten wir auch im Alltag noch mehr Kreativität ermöglichen, dazu haben wir etwa ein gemeinsames wöchentliches Chorsingen organisiert, ab nächstem Sommer soll ein regelmässiges Theaterangebot dazukommen.
Dieses Wochenende habt ihr euer fünfjähriges Jubiläum gefeiert. Was bringen die nächsten Jahre?
Unser Kulturprogramm steht mittlerweile auf einer guten, soliden Basis und begeistert viele, ganz unterschiedliche Menschen. Nun möchten wir dasselbe für unser soziales Engagement erreichen. Mit dem Programm der nächsten Saison möchten wir dieses bekannter machen. Viele Menschen können sich darunter wenig vorstellen und denken, dass hier ab und zu mal ein inklusives Theater stattfindet und damit hat es sich. Dabei wird etwa die Hälfte des Betriebsteams auf die eine oder andere Art begleitet. Wir bieten für Menschen, die in der herkömmlichen Arbeitswelt keinen Platz haben, eine individuelle Lösung. Dafür gibt es kein vorgefertigtes Gefäss. Auch die Finanzierungen dieser Lösungen sind individuell geregelt, das ist ein sehr grosser, aber lohnenswerter Aufwand. Bei der Heiteren Fahne sind wir überzeugt, dass alle Menschen das Recht haben, mit anzupacken wenn sie das wollen, und diese Einstellung möchten wir in Zukunft noch stärker nach aussen tragen.
Euer neues Programm für die Saison 2019 bis Sommer 2020 lautet «Futura Fantastica». Was steckt hinter diesem Titel?
Anstelle der kollektiven Krisenstimmung und individuellen Vereinsamung möchten wir zum Denken in Alternativen, Leben gemeinschaftlicher Entwürfe und utopischem Bemühen anregen. Für eine Futura Fantastica eben. Dazu braucht es immer wieder sinnstiftende Geschichten des Gelingens, die das mögliche Scheitern nicht fürchten. Uns geht es also auch um die Zukunft dieses Ortes, der Heiteren Fahne. Für einen Grossteil des Betriebsteam ist die Heitere – zumindest momentan – eine Art Versuchslabor und Lebensprojekt. Wir stellen uns deshalb im neuen Programm die Frage: Wie wollen wir gelebt haben, wenn wir in 30 Jahren zurückblicken auf diese Zeit? Wir greifen damit bewusst etwas höher, weil bei einem Unterfangen wie der Heitere Fahne immer die Gefahr besteht, dass es am Alltag zerschellt. Es ist zudem ein offenes Thema, das einen Bogen spannt zwischen der Heitere Fahne und den Menschen, die diesen Ort gestalten, bespielen und besuchen. Wichtig ist, dass das Programm allen Mitgliedern unseres Kollektivs Spielraum für eigene Ideen lässt.