Heftig und wild – zur Malerin Teruko Yokoi

von Dorothe Freiburghaus 9. November 2020

Das Kunstmuseum Bern zeigte von Februar bis August dieses Jahres eine Ausstellung der Künstlerin Teruko Yokoi. Der nachfolgende Text, der zu Beginn der Ausstellung hätte erscheinen sollen, wurde aufgrund der corona-bedingten Schliessung der Ausstellung nicht veröffentlicht. Nun ist Teruko Yokoi am 28. Oktober gestorben. Der Text von Dorothe Freiburghaus erscheint jetzt als Nachruf auf die bedeutende Künstlerin. 

 

 

Wer kennt sie nicht, die Blumenbilder: zarte Blütenblätter, roter Mohn auf dünnen Stielen, dunkel samtige Stiefmütterchen, Lotosblüten. Überall in Berns Galerien, scheint mir, waren sie zu sehen. Und in vielen Spitälern und Heimen hängen sie. Schön? zu schön? Vielleicht auch hübsch und allzu gefällig? «So können nur Frauen malen» – damit war der Stempel «minderwertig» gegeben: Frauen malen weniger gut als Männer. «Die grossen Künstler sind alles Männer». So einfach scheint das zu sein!

Teruko Yokoi, bescheiden und zurückhaltend, ist in der Provinz Nagoya mit der Kunst Japans aufgewachsen. Vor allem war es Poesie, die sie in jungen Jahren beschäftigte. Gedichte, die sie selbst schrieb. Für ihre Studien zog sie von Tokyo über San Francisco nach New York, Paris und wurde in Bern heimisch.

Ein weites Feld zur Nachempfindung

Die Welt ist voller Blumen. Zu hunderten entstanden sie. Mit ihnen erreichte die Künstlerin ein breites Publikum. Die klare Formulierung der japanischen Kunst kommt ihr entgegen. In räumlich angelegten Flächen – ein paar Tupfer oder Striche – leuchtet das Karminrot der Mohnblumen. Am Rand eines Papiers taucht eine Gladiole auf. Spitz die Blätter, matt aber durchdringend die Farben. Ihre Intensität lässt die Schönheit brüchig werden.

Dann stand ich eines Tages vor grossen Bildern von Teruko Yokoi, kräftig und wild. Sie wirken auf mich wie aufgewühlte Erde, aufgebrochenes Land. Die Malerei ist heftig. Ich fühle die Emotionen, mit denen gemalt wurde, das An-die-Grenzen-Gehen der Künstlerin. Beim Malen werden Gefühl und Eindruck wichtig. Wichtiger als Perfektion. Emotional wird der Pinsel geführt. Es könnten aber auch ein Spachtel oder die Handfläche sein, die das Entstehen des Bildes ermöglichen.

Teruko Yokois Bilder sind unerwartet gross und stark im Ausdruck. Die Malerin lässt dem Betrachter ein weites Feld zur Nachempfindung offen.

“Gedichte, gemalt mit Farben”

Längst hat Teruko Yokoi international Preise erhalten und wird heute als eigenständige Künstlerin neben dem berühmten Sam Francis, ihrem Mann, eingereiht. Sam Francis hat sie aber in Kunstkreisen nie als Künstlerin vorgestellt. Sie war seine Frau, er der Künstler. Es war Arnold Rüdlinger, der Direktor der Kunsthalle Basel, der sie entdeckte. Bei einem Besuch im Atelier von Sam Francis sah er Werke von ihr. Begeistert lud er sie 1967 zu einer grossen Ausstellung in Basel ein. Teruko Yokoi wird dem abstrakten Expressionismus zugezählt. Sam Francis fand zu einer mehr tachistischen Ausdrucksweise.

In Ena, Japan, steht das Teruko Yokoi Hinageshi Art Museum. Jetzt zeigt das Kunstmuseum Bern eine Einzelausstellung der grossen Künstlerin. Bescheiden und zurückhaltend sagt sie zu ihren Werken: Es sind «Gedichte, gemalt mit Farben».