Häusliche Gewalt – was können wir tun?

von Basrie Sakiri-Murati 25. Februar 2023

Im Stadtteil 6 (Bümpliz/Bethlehem/Oberbottigen) findet zwischen dem 25. Februar und dem 11. März eine Aktionswoche gegen häusliche Gewalt statt. «Tür an Tür» – ist eine Initiative der Stadt. Unsere Kolumnistin hat ihre Gedanken und Erfahrungen den Verantwortlichen weitergegeben.

In meinem Beruf als Übersetzerin treffe ich oft Frauen aus dem albanischen Sprachraum (Kosovo, Albanien, Nordmazedonien, Montenegro und Preshevo Tal), welche von häuslicher Gewalt betroffen sind und sich nicht wehren oder gar die Trennung oder Scheidung verlangen. Gründe hiefür gibt es viele:

  • Die Frauen fürchten um ihr Leben, weil sie von den eigenen Männern bedroht werden.
  • Sie sind finanziell von ihren Männern abhängig und fürchten deshalb eine Scheidung.
  • Sie befürchten, dass sie es allein mit den Kindern nicht schaffen.
  • Sie sprechen die Sprache nicht, dürfen sie nicht lernen und nicht arbeiten gehen.
  • Wer arbeiten geht, darf nicht über den Lohn verfügen. Der Mann oder der Schwiegervater verwaltet ihn.
  • Der Mann droht ihnen, dass sie bei einer Scheidung in ihr Herkunftsland abgeschoben werden und ihre Kinder nie mehr sehen.
  • Über Eheprobleme (oder über Gewalt) zu sprechen, ist ein Tabu.

Weil es immer noch Frauen gibt, die denken, der Mann habe das Recht, sie zu schlagen, akzeptieren sie solche Missstände. Dieser Zustand ist meiner Meinung nach nicht nur eine Folge der patriarchalen Mentalität, es ist auch eine Folge fehlenden Wissens und fehlender Bildung. Solange die Frauen die Informationen über Schutz- und Hilfsangebote nicht kennen, kann sich nichts ändern. Selten bis nie hat eine von ihnen den Mut, Hilfe zu holen. Doch: Nachbar*innen können nach meinen Erfahrungen hilfreich sein, wenn die Betroffenen sich nicht getrauen, die Polizei zu benachrichtigen.

Aussenstehende dürfen nicht schweigen

Es ist nicht einfach, als Aussenstehende Gewalt zu erkennen. Betroffene sprechen nicht darüber. Nur selten vertrauten sie sich anderen Personen an. Wer davon erfährt, muss wissen, wohin er oder sie sich wenden kann. Und sein Wissen weitergeben. Schweigen oder den Kontakt mit dem Opfer reduzieren, darf nicht sein.

Jede*r von uns kann Ohren und Augen offenhalten, sensibel bleiben und Zivilcourage zeigen. Ich finde sehr wichtig, dass die Betroffenen eine Bezugsperson haben, an die sie sich im Notfall wenden können. Eine ehemalige Nachbarin mit Migrationshintergrund erzählte mir, dass sie von ihrem Mann immer wieder geschlagen wird. Ich habe ihr erklärt, dass dies hier in der Schweiz eine Straftat ist und dass sie den Mann anzeigen kann. Aus Angst schwieg sie. Sie sei zu unselbstständig, um diesen Schritt zu wagen und habe Angst, von ihrem Mann in die Heimat abgeschoben zu werden. Ich habe ihr meine Hilfe angeboten. Sie weiss jetzt, dass sie mit mir rechnen kann, wenn sie in der Not ist.

Die Statistik zeigt, dass 2021 die Polizei schweizweit 19 341 Straftaten im häuslichen Bereich registrierte. 11 148 Personen waren betroffen. Etwas mehr als zwei Drittel der registrierten Straftaten betrafen Drohungen (30%), Beschimpfungen (18,7%) und (wiederholte) Tätlichkeiten (33%).

Ich finde es tragisch, dass in der Schweiz immer noch so viel häusliche Gewalt ausgeübt wird. Und frage mich, wie es dort aussieht, wo häusliche Gewalt kein Offizialdelikt, sondern Privatsache ist.

www.bern.ch/türantür