Gurken und Kräuter aus dem Lorraine-Park

von Naomi Jones 15. August 2014

Im Lorraine-Park bepflanzen rund ein Dutzend Parteien die Blumeninsel mit Gemüse und lernen dadurch ihre Nachbarn besser kennen. Es ist das jüngste von mittlerweile sieben Gartenprojekten in Bern. Die Stadt nähert sich damit dem Ziel der «essbaren Stadt».

Das kleine Mädchen giesst liebevoll die Blumen. Dabei wird es selber ganz nass. Die Mutter Bettina Jans Troxler, Stadträtin der Evangelischen Volkspartei (EVP), wässert derweil das Gemüse: Zuchetti, Bohnen, Mangold und Salat. Das wäre an sich nichts Ungewöhnliches. Aber das Gartenbeet von Mutter und Tochter ist rund sechs Quadratmeter gross und befindet sich mitten im Lorraine-Park. Rundherum stehen die typischen grünen Bänke, auf denen die Schüler und Schülerinnen der nahen Berufsschule picknicken. Nebst Bettina Jans Troxler bewirtschaften elf andere Parteien eine Parzelle auf der sogenannten Wechselfloranlage im Park.

Vor bald zwei Monaten hat die Stadtverwaltung die Blumen aus dem Park entfernt und die dadurch entstandenen Beete interessierten Anwohnern und Anwohnerinnen zum symbolischen Preis von knapp 20 Franken pro Jahr verpachtet.

Politik mit der Giesskanne

Die Anregung dazu gab das Postulat zur «essbaren Stadt» von Stadträtin Christa Ammann von der Alternativen Linken (AL): «So können die Leute ihre Stadt selbst mitgestalten.» Ausserdem wirke das Gemüse an ungewohnten Orten in der Stadt bewusstseinsbildend, ohne dass gleich der pädagogische Zeigefinger erhoben werde. «Man sieht das Gemüse wachsen. Dadurch entsteht ein Bezug. Und wenn man mitmacht, merkt man, was alles an Arbeit anfällt und warum der Salat so viel kostet.»

«Urban Gardening» heisst das Gemüseziehen in den Städten. Und das urbane Gärtnern liegt im Trend. In Deutschland gibt es gleich mehrere «essbare Städte». Familiengärten, so heissen die Schrebergärten heute, sind heiss begehrt. Bis zu drei Jahre kann die Wartezeit auf einen Garten in Zürich dauern. Ja, sie werden sogar in Film und Theater geehrt.

Die Soziologin Anja Schoch hat Personen der Urban-Gardening-Bewegung in Basel interviewt und kommt zum Schluss: «Urban Gardening ist ein politischer Akt, der mit Giesskanne und Salat ausgeführt wird.» (1)

So unterschiedlich wie Kraut und Rüben

Bettina Jans Troxler gärtnert, weil sie es gerne tut. Politik betreibt sie im Stadtrat. «Wir sind so oft im Park und gärtnern sehr gerne. Dank diesem Projekt lernen wir die Leute im Quartier besser kennen.» Die Pächter der Gartenbeete seien nämlich sehr unterschiedlich. Da seien unter anderem Familien, aber auch ein Künstlerpaar, eine WG und ein paar Teenager vom Mädchentreff.

Viele seien Gartenanfänger. Deshalb veranstalte der Projektleiter von Stadtgrün immer wieder kleine Gartenkurse im Park. Dies vermutlich auch, weil die Stadt ein paar wenige Auflagen zur Bewirtschaftung der Beete macht. Die Freizeitgärtner und -gärtnerinnen sollen ihr Gemüse nämlich möglichst biologisch anbauen. Auch ein paar Blumen sind Pflicht. Einige Quartiervertreter hätten dem Projekt nur dank diesen Pflichtblumen zugestimmt, erzählt Jans Troxler.

«Wir haben bisher nur positive Rückmeldungen erhalten», sagt Bettina Jans Troxler. «Und die Boccia-Spieler verteidigen unsere Gärtchen sogar, wenn die Leute keine Rücksicht nehmen.» Das gelingt aber offenbar nicht immer, wie die Erfahrungen der Journalistin und Gartennovizin Sandra Rutschi zeigen. Ihre Gurke wurde just dann geklaut, als sie reif und schön gross war.

Fuchsbandwurm und Abgase

Im Gegensatz zu den andern sechs öffentlichen Gartenprojekten der Stadt Bern pflanzen die Hobbygärtner ihr Gemüse im Lorraine-Park direkt in den Boden. Die Stadt hat die Bodenqualität prüfen lassen und für unbedenklich befunden. Das ist nicht überall so. Auf der kleinen Schanze zum Beispiel sei der Boden bleiverseucht, erklärt Stadträtin Ammann. Auch der stark befahrene Viktoriaplatz sei für Urban Gardening nicht geeignet.

Für Bettina Jans Troxler ist klar, dass das Gemüse gut gewaschen sein muss, bevor es auf den Tisch kommt. Sie halte es aber für unbedenklich, solange die Pflanze keine Schadstoffe aus dem Boden nehme. «Das grösste Risiko stellt vermutlich der Fuchsbandwurm dar», sagt sie als Mutter eines Kleinkindes. «Denn Füchse gibt es in unserer Stadt mittlerweile viele.»