«Gopfridstutz – Klimaschutz!!»

von Simone Prodolliet 28. Mai 2019

Porträt der «Klimajugend» vom Gymer Neufeld

Die «Klimajugend» hat die Schlagzeilen der Medien erobert. Kaum ein Tag, an dem nicht darüber gestritten wird, was für das Klima zu tun sei, wer Verantwortung trage, welche Massnahmen prioritär umzusetzen seien. Auch in der Länggasse haben sich Jugendliche zusammengetan, um sich für eine nachhaltige Klimapolitik zu engagieren. Journal B dokumentiert ein Gespräch von Aktivistinnen und Aktivisten der Umwelt AG des Gymnasiums Neufeld mit dem Länggassblatt.

6. April 2019. Auf dem Helvetiaplatz in Bern treffen zahlreiche Menschen zur fünften Berner Klimademo ein. Sie ist Teil der gleichentags stattfindenden Nationalen Klimademo. In vielen weiteren Städten der Schweiz gibt es entsprechende Manifestationen. Die Stimmung ist gelöst und kämpferisch, die Sonne scheint an diesem klaren Tag, nachdem es einige Tage zuvor noch garstig war, und es sogar geschneit hatte. Um die 10 000 Menschen haben sich laut Medienberichten in Bern zusammengefunden, um für einen verbesserten Klimaschutz einzutreten. Transparente mit Aufschriften «Uns schmilzt die Zeit davon», «Wir fordern den Klimanotstand!», «There is no PLANet B» werden hochgehalten. Auch der Slogan der Umwelt AG des Neufeldgymers prangt prominent und fordert: «Gopfridstutz – Klimaschutz!»

Nicht abseitsstehen

Ein paar Tage zuvor das Treffen mit denjenigen, die sich zum harten Kern der Umwelt AG des Gymnasiums Neufeld zählen. In der Cafeteria der Schule herrscht auch am späteren Nachmittag noch grosse Betriebsamkeit: Einzelne sind daran, Aufgaben zu lösen, andere diskutieren miteinander, manche gönnen sich etwas zu essen oder chatten auf ihren Smartphones.

Andrea Indermaur, Florence Hürlimann, Leo Chiofalo, Johannes Vermathen und Tim Frey haben sich bereit erklärt, über die Ziele und die Vorhaben der Umwelt AG zu berichten. Sie sind zwischen 17 und 18 Jahre alt; die meisten von ihnen besuchen die Prima, also die letzte Klasse vor der Matura. «Begonnen haben die Aktivitäten Anfang Jahr, als schweizweit Klimastreiks von Schülerinnen und Schülern ausgerufen wurden», sagt Andrea. «Wir vom Gymer Neufeld wollten nicht zurückstehen, insbesondere auch, als es beim Gymer Kirchenfeld bereits eine Gruppe gab, die sich für die Anliegen des Klimaschutzes einsetzt», ergänzt Johannes. Und Leo: «Es war uns total wichtig, uns ebenfalls zu beteiligen – peinlich, wenn wir nicht dabei wären.» Es sei denn nun mal so, dass man die Augen vor den Tatsachen nicht verschliessen könne.

«Die Umwelt AG zählt etwa zwanzig Mitglieder – eine eher kleine Gruppierung, wenn man an die 1500 Schülerinnen und Schüler denkt, die am Gymnasium Neufeld unterrichtet werden», räumt Andrea ein. Aber wichtig sei eben, dass man beginne, auch wenn man nur wenige sei. Doch in der Zwischenzeit seien sehr viele Mitschülerinnen und Mitschüler interessiert, sich für den Klimaschutz zu engagieren.

Am Klimastreik vom 15. März beteiligten sich denn auch mehrere Hundert Schülerinnen und Schüler der Stadt Bern und Umgebung. «Wir starteten vom Neufeldgymer aus und zogen zu Fuss in die Stadt», berichtet Florence. «Von den andern Gymnasien, vom Kirchenfeld, von der Lerbermatt und von andern Schulen bewegten wir uns sternenförmig in die Stadt mit Ziel der Berner Kraftwerke im Breitenrain. Es war ein mega gutes Gefühl zu merken, dass so viele junge Menschen für den Klimaschutz protestieren!»

Keineswegs naiv!

Die Reaktionen auf den Streik der Schülerinnen und Schüler waren geteilt. Manche begegneten den Forderungen der Aktivisten mit Wohlwollen, andere belächelten deren Naivität. «Wir sind keineswegs naiv», kontert Johannes solche Vorwürfe. «Wir haben die Wissenschaft hinter uns, die seit vielen Jahren auf die drohenden Gefahren aufmerksam macht!»

Wie denn die Lehrerschaft auf den Streik reagiert habe? Manche Lehrerinnen und Lehrer seien positiv eingestellt und hätten Verständnis gezeigt. Doch der Vorschlag des Rektors, dass man fünf halbe Tage pro Jahr zur freien Verfügung habe und diese für den Streik einsetzen könne, überzeuge nicht wirklich. «Ein Arbeiter streikt ja auch nicht in den Ferien – wer würde dann seinen Protest überhaupt bemerken?», fragt Leo rhetorisch. «Manche Lehrkräfte haben aber angeboten, versäumte Lektionen mit einer zusätzlichen Leistung zu kompensieren, zum Beispiel, dass man einen Text liest und eine Zusammenfassung davon abgibt oder dazu befragt wird», erklärt Florence, wie manche der Lehrkräfte den Absenzen begegnen. «Es geht uns nicht ums Schule-Schwänzen, auch wenn vielleicht einige wenige die Streiks zum Anlass nehmen, nicht in die Schule gehen zu müssen.»

Sehr zufrieden sind die Jugendlichen mit der Aktionswoche Ende März, die sie für die gesamte Schule durchgeführt haben. «Mehrere hundert Schülerinnen und Schüler sind an unsere Infostände gekommen. Einige Lehrer haben sogar einen Teil einer Schulstunde dafür reserviert, um mit der gesamten Klasse an der Sensibilisierungskampagne teilzunehmen», erläutert Andrea. Die Umwelt AG hat in der grossen Halle des Hauptgebäudes zu diversen Themen informiert, etwa welche Umweltbelastung die Herstellung eines T-Shirts beinhaltet, welche Alternativen es zu Fleischkonsum gibt oder welche konkreten Massnahmen jeder einzelne selbst treffen kann. «Wir haben der Schulleitung auch vorgeschlagen, dass die Vegi-Menus in der Kantine verbilligt werden oder dass weniger stark geheizt wird.» Die Schulleitung habe diese Vorschläge entgegen genommen und würde sie nun prüfen.

 

Individuell handeln und auf struktureller Ebene aktiv werden

Was antworten die jungen Menschen auf die Frage, was wichtiger sei: das Verhalten des einzelnen zu ändern oder auf übergeordneter Ebene aktiv zu werden? Oft würde ja Umweltaktivisten vorgehalten, dass sie selber nicht konsequent handelten. Die Gruppe ist sich einig: Es braucht beides. Klar, wenn nur das Individuum angesprochen werde und sich bei der Politik und den grossen Unternehmen nichts ändere, werde man das Ziel der Reduktion des CO2-Ausstosses noch lange nicht erreichen. «Aber wir können und müssen selber auch etwas dazu beitragen, sonst sind wir unglaubwürdig.» Einige in der Gruppe haben sich sogar mit ihren Eltern angelegt und zum Beispiel darauf bestanden, kein Fleisch mehr zu essen, vermehrt Secondhandkleider zu kaufen oder nicht mehr per Flugzeug in die Ferien zu fahren, Vorschläge, die nicht bei allen Eltern gleich gut angekommen sind. «Aber die meisten Eltern und auch Grosseltern sind stolz auf uns – sie freuen sich über unser politisches Engagement.»

Wie weiter? Welche Aktionen stehen an? «Wir werden weitermachen und hoffen, mehr Mitschülerinnen und Mitschüler von unserem Anliegen zu überzeugen. Wir wünschen uns eine starke Beteiligung aller jungen Menschen, denn es geht um unsere Zukunft. Deshalb: Gopfridstutz – Klimaschutz!»

Kontakt zur Umwelt AG:

Quelle: Länggassblatt 257, Mai 2019