Gesucht wird: ein Pausenplatz

von Rita Jost 15. November 2021

An der Nussbaumstrasse 29 im Stadtteil 4 soll aus einem Bürohaus ein Schulhaus entstehen. Diese «Notlösung» stösst auf Widerstand in der Nachbarschaft.

Der östliche Teil des roten Verwaltungsgebäudes an der Autobahn zwischen den Anschlüssen Wankdorf und Freudenbergplatz steht seit zwei Jahren leer. Der Bau ist Teil eines ganzen Verwaltungskomplexes, der ursprünglich errichtet wurde, um die Siedlung Baumgarten vom Autobahnlärm abzuschirmen. Er gehört der Axa-Versicherung. Nun will ihn die Stadt mieten und dort ein Oberstufenzentrum einrichten. Bezugstermin ist auf Schulbeginn 2023 geplant. 360 – 400 Schüler:Innen (18 Oberstufenklassen) sollen einziehen.

Die Anwohner*innen in der Siedlung Baumgarten haben von diesem Vorhaben erst vor einigen Wochen erfahren. Im Dezember kommt das Geschäft bereits vor den Stadtrat. Das Stadtparlament muss die Botschaft für die Abstimmung im nächsten Mai verabschieden. Es geht um einen Kredit von total rund 55 Millionen Franken (Projektiertung, Umbau, Miete und Betrieb in einem mindestens zehnjährigen Provisorium). Der Zeitplan ist mehr als ehrgeizig. Und die Anwohnerschaft hat einige Fragen zum und viel Kritik am Projekt. Das wurde an einer Anhörung mit Vertretern der Stadt klar. Stadtpräsident Alec von Graffenried, der Stadtbaumeister Thomas Pfluger und Schulamtleiter Jörg Moor waren gefordert.

Fehlender Pausenraum

Anwohner*innen bemängelten insbesondere den fehlenden Aussenraum und die unbefriedigende Erschliessung («an der Ostermundigenstrasse wird es chaotisch mit Tram, Auto- und  Veloverkehr,» prognostizierte ein Anwohner). Viele Baumgartenbewohner*innen betonten, dass sie nicht generell gegen die Einrichtung eines Schulhauses in ihrer Nachbarschaft seien, dass sie aber befürchteten, der  «jetzt schon knapp bemessenen Freiraum in der Siedlung» würde dereinst von Schüler*innen in den Pausen bzw. vor und nach Schulbeginn überschwemmt. Effektiv gibt es nach jetzigen Plänen für die künftigen Schüler*innen nur gerade 1350 m2 Aussenraum. Die Vertreter des Bauamts und des Schulamts versuchten zwar, die Bedenken der Anwohner*innen zu zerstreuen («es gibt viel zusätzliche Freiflächen im Innern»), aber die Anwesenden liessen sich nicht beschwichtigen. «Warum wurde beim Bau der nahegelegenen Überbauung Schönburg-Ost vor einigen Jahren kein Schulraum eingeplant?» frage eine Frau. Und bekam zur Antwort, die Stadt habe nicht damit gerechnet, dass diese hochpreisigen Wohnungen von Familien mit Kindern bezogen würden… Eine Bemerkung, die im Saal höhnische Reaktionen auslöste.

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Ja, das sei eine Fehlplanung gewesen, gab der Stadtpräsident unumwunden zu, aber Schuldzuweisungen nützten jetzt auch nichts mehr. Die Stadt benötige dringend Schulraum. Und Bern sei ja auch stolz, eine familienfreundliche Stadt zu sein. Die Vertreter der Stadt wiesen auch auf den zweiten Grund hin, der zur Notlage führte: die Einsprachen, die es am andern Ende des Schulkreises, im Wyssloch, gegen ein Schulhausprojekt gibt. Dieser Bau ist noch einige Jahre blockiert, «weil die Anwohnerschaft alle juristischen Möglichkeiten ausschöpft», wie von Graffenried sagte. «Was, wenn wir das auch machen?» wurde der Stadtpräsident daraufhin gefragt. Schulterzuckend musste er zugeben: «Verbieten können wir es euch nicht.»

Ein runder Tisch soll klären

Die Stimmung in der vollbesetzten Aula des Wankdorfschulhauses war angespannt, aber nicht nur konfrontativ. Die Bewohnerschaft signalisierte durchaus Verständnis für die Nöte der heutigen Schulraumplaner, gab aber den Vertretern der Stadt, zu verstehen, dass man das Projekt alles andere als ausgereift findet. Vor allem auch die gleichzeitig geplante Turnhalle beim nahen Bitziusschulhaus empfinden viele Eltern als weitere empfindliche Beschneidung der spärlichen Aussenräume für Kinder und Jugendliche im Quartier. Hätte man diese nicht auf dem Areal des Springgartens planen können. Der Stadtpräsident musste abwinken. Das nationale Pferdezentrum hat auf dem Areal noch bis 2026 einen gültigen Nutzungsvertrag.

Der Stadtpräsident nahm weitere Entlastungsvorschläge entgegen, versprach Nachbesserungen am Projekt und vereinbarte mit den Siedlungsvorständen ein weiteres Treffen am runden Tisch. Noch vor Jahresende soll es eine Aussprache geben. Gesucht wird ein Pausenplatz!