390 Millionen Franken sind für Schweizer Verhältnisse viel Geld für einen Medienhandel – sehr viel Geld sogar. Zum Vergleich: Tamedia zahlte für das Berner Medienhaus Espace Media 205 Millionen Franken. Wer 390 Millionen aufwirft, obwohl das Gleiche vor fünf Jahren für einen Bruchteil des Preises zu haben gewesen wäre, hat entweder die Gewissheit, eine zukunftsträchtige Investition zu tätigen. Oder aber er handelt aus Verzweiflung, weil es sonst nichts mehr zu holen gibt. Den rekordverdächtigen Betrag zahlen die beiden Zürcher Medienhäuser Tamedia und Ringier für das Stellenportal jobs.ch. 2007 verkauften die Schweizer Gründer das Portal für 100 Millionen an einen Hedge Fonds in den USA. Nun ist jobs.ch zurück in Schweizer Händen.
Der grösste Schweizer Internet-Deal wirft ein bezeichnendes Licht auf die Befindlichkeit der Medienbranche: Dass es ausgerechnet ein Stellenportal ist, überrascht indes nicht. Damit wollen sich die ehemaligen Zeitungshäuser ihre Lizenz zum Gelddrucken zurückholen. Jetzt einfach digital und nicht mehr als Stellenanzeiger. In den besten Zeiten überquollen die Anzeigenseiten dergestalt, dass nur dank dünnerem Zeitungspapier die Gewichtslimite für die Spedition nicht überschritten wurde.
«Die ehemaligen Zeitungshäuser wollen ihre Lizenz zum Gelddrucken zurückholen.»
Nick Lüthi
Die Performance von jobs.ch beflügelt solche Geldträume. Gemäss Medienberichten erwirtschaftet das Stellenportal 20 Millionen Franken Gewinn bei 46 Millionen Umsatz; kleiner Aufwand, grosser Ertrag. Das Geschäft mit den offenen Stellen ist neben den Anzeigen für Immobilien und Autos eine traditionelle Einnahmequelle für Medienunternehmen. Dass nun ins Internet zurückkehrt, was auf Papier funktioniert hat, ist nur folgerichtig – allerdings ein paar Jahre zu spät. Um ihr erfolgreiches Geschäft mit den gedruckten Anzeigen nicht zu kannibalisieren, hielten sich die Medienhäuser mit Online-Stellenportalen lange zurück. Und zahlen jetzt den Preis dafür: Ringier und Tamedia in der Höhe von 390 Millionen Franken. Damit soll wenigstens eines der bisherigen Standbeine stabilisiert werden. Die anderen beiden, kommerzielle Anzeigen und Vertriebserlös, wanken schon länger bedrohlich.
Zwar wollen nun die meisten grossen Häuser mit kostenpflichtigen Online-Angeboten auch beim Aboverkauf wieder zulegen, mit vorerst noch ungewissem Ausgang. Die klassische Werbung mit Image- und Produkteanzeigen ist für Medienunternehmen weitgehend verlorenes Terrain. Bannerblindheit und Adblocker bei den Lesern sowie das mächtige Google-Anzeigenimperium machen den Display-Anzeigen im Netz das Leben schwer. Online funktioniert dafür Anderes ganz gut: Transaktionen etwa, wie Abverkäufe, Auktionen und Schnäppchen.
Der Wandel des Geschäftsmodells verändert auch den Journalismus. In der historischen Dreiecksbeziehung zwischen Verlag, Publikum und Anzeigenkunden, bildeten die journalistische Inhalte den Kitt zwischen den einzelnen Schenkeln des Dreiecks. Glaubwürdiger und unabhängiger Journalismus galt als Grundvoraussetzung für das Geschäft: Ohne ihn hätten die Leute weder die Zeitung gekauft noch Anzeigenkunden Werbung geschaltet.
«Der Wandel des Geschäftsmodells verändert auch den Journalismus.»
Nick Lüthi
Heute dient der Journalismus (respektive das, was davon übrig bleibt) vermehrt nur noch als Erfüllungsgehilfe der geschäftlichen Aktivitäten. Prominentes Beispiel dafür ist Ringier. Mit dem Wandel vom Medienhaus zum integrierten Unterhaltungskonzern verschob sich das Gewicht zulasten der unabhängigen Publizistik. Ob bei Berichten über Ottmar Hitzfeld, der bei Ringier unter Vertrag steht, oder bei Konzerten der hauseigenen Agentur Good News, stehen die Ringier-Medien stets im Verdacht, nicht alleine dem Publikum, sondern auch dem Geschäft verpflichtet zu sein.
Auch wenn Ringier ein Extremfall ist, zeigt sich überall, wie neue Einnahmequellen den Journalismus verändern. Beim traditionsreichen Zeitungskonzern Tamedia zeigt sich das darin, dass redaktionelle Stellen nur noch in den Online-Medien geschaffen, während gleichzeitig die Zeitungsredaktionen ausgedünnt werden. Kurz: Das Geschäft kommt zuerst.
Finanzierungsmodelle, die den Journalismus nicht nur als nachgelagerte Kostenstelle oder Erfüllungsgehilfen für den Geschäftserfolg betrachten, sind daher ein Gebot der Stunde. Medien, die sich der Öffentlichkeit im Allgemeinen und ihrem Publikum im Speziellen verpflichtet sehen, sollen auch von diesen finanziert werden. Im Kleinen ist das einfacher zu realisieren.
«Im Kleinen ist die Nutzerfinanzierung einfacher zu realisieren.»
Nick Lüthi
Journal B wagt den Versuch. Wenn 1500 Bernerinnen und Berner finden, dass ihnen Journalismus, der nicht den Renditeerwartungen von Aktionären und Besitzerfamilien Rechnung tragen muss, 250 Franken pro Jahr wert ist, dann funktioniert das Projekt. Das ist im Prinzip nichts Neues: Eine reine, oder zumindest überwiegende, Nutzerfinanzierung gibt es auch bei Fach- oder Special-Interest-Medien, wo die Leser bereit sind, vergleichsweise viel Geld auszugeben für exklusive Informationen.
Bei Journal B kommt allerdings erschwerend dazu, dass es für die 250 Franken keinen exklusiven publizistischen Gegenwert gibt. Es ist also weniger Abo als Spende. Für unabhängigen Journalismus zu spenden, wie man das mit Millionenbeträgen für geschundene Tiere, gefolterte Menschen und verschüttete Bergtäler tut, entspricht noch keinem eingeübten Verhalten. Mit Journal B und ähnlichen Projekten kann sich das aber ändern.