«Unser Kollektiv ist 2019 entstanden, um den Frauenstreik in der Stadt und im Kanton Bern zu organisieren. Während neun Monaten haben wir den Streik vorbereitet. Wir waren überwältigt, wie viele Personen teilgenommen haben: Ganze 100‘000! Seither haben wir alle fünf feministischen Streiks organisiert. Vom diesjährigen erhole ich mich immer noch.
Wir sind sicher weniger, als viele Menschen meinen. Nehmen wir den Streik von diesem Jahr. Zählen wir alle Personen mit, die Schichten übernommen haben, die Demo geschützt oder Flyer verteilt haben, sind wir hunderte. Im Zentrum des Streiks haben sich aber nur circa 30 Personen über die letzten Wochen täglich ausgetauscht und alles geplant.

Wir sind ein sehr partizipatives Kollektiv. Wer eine Idee und Motivation hat, kann diese bei uns verwirklichen. Es gibt Personen, die ab und zu in einer Arbeitsgruppe etwas organisieren, oder eine Schicht am Streik übernehmen. Für andere ist es ein Engagement im Teilzeitpensum.
Dieses Jahr haben wir unsere Vision formuliert und auf dieses bin ich ziemlich stolz. Wir streben eine inklusive und solidarische Gesellschaft an, in der sich alle Menschen frei entfalten können und ein würdevolles Leben führen. Unser Kampf richtet sich gegen ausbeuterische und diskriminierende Machtstrukturen: Gegen Ableismus, Kapitalismus, Patriarchat, Queerfeindlichkeit, Rassismus und jegliche intersektionalen Ungleichheiten.
Unser Kollektiv funktioniert ohne Hierarchien. Die Arbeitsgruppen sind zu einem Grossteil sehr autonom, und können Entscheidungen auch eigenständig treffen. Einmal im Monat kommen wir für das Kollektivtreffen zusammen. Dort treffen wir Entscheidungen im Plenum.
Wir müssen Schwerpunkte setzen, manchmal müssen wir pragmatisch sein. Das tut weh und kann frustrieren.
Leider werden wir der hierarchielosen Vision noch nicht gerecht. Es entstehen
immer wieder Hierarchien, etwa wegen unterschiedlichem Vorwissen, Zeitkapazitäten und Vernetzungsgrad. Wir engagieren uns aktiv, diese Hierarchien aufzubrechen und bemühen uns um kritische Selbstreflexion. Das ist so wichtig.
Nebst dem jährlichen feministischen Streik organisieren wir auch andere Events, wie die regelmässig stattfindenden Stammtische und Lesekreise, oder das Streikkino am ersten Mittwoch vom Monat. Dazu beteiligen wir uns immer wieder an Aktionen und Veranstaltungen anderer Organisationen.
Mein persönliches Highlight war der Interaktiver Stadtspaziergang zum Thema Feminizide im Rahmen der 16 Tage gegen Gewalt. Gemeinsam mit wundervollen Menschen, die zu meinen Freund*innen geworden sind, haben wir in der Stadt verschiedenen Posten, zu den im Jahr 2022 ermordeten Frauen gestaltet. Die Aktion berührt mich noch heute ganz extrem und ich bekomme noch immer Gänsehaut, wenn ich daran denke.

Welchen Rat ich anderen Menschen gebe, die ein ähnliches Kollektiv gründen möchten? Seid mutig! Wenn wenige Menschen mit Elan und Begeisterung etwas anreissen, machen viele mit. Unbedingt auch: Wissen sichern! Denkt daran mitzuschreiben, wenn ihr etwas organisiert. Wir haben das lange Zeit nicht optimal gemacht und müssen nun vieles etwas mühsam aufbereiten. Auch Vernetzung! Es gibt in Bern so viele tolle Kollektive und aktivistische Menschen. Wir können und dürfen so viel voneinander lernen. Schreibt Kollektive um Unterstützung und Rat an.
Es gibt viele Themen, welche wir gerne noch anpacken möchten. Aber leider
müssen wir häufiger sagen, dass wir das gerade nicht stemmen können. Wir müssen Schwerpunkte setzen, manchmal müssen wir pragmatisch sein. Das tut weh und kann frustrieren. Aber gemeinsam werden wir die Gesellschaft verändern und es ist schön, teil eines solch engagierten Kollektivs zu sein. »
Hier findest du weitere Infos zum Kollektiv.