Gegen Glencore: Lärm in Bern, Lämpe in Kolumbien

von Anne-Careen Stoltze 12. März 2013

Der Rohstoffriese Glencore lädt heute handverlesene Nationalrätinnen und Nationalräte zum Nachtessen ins Hotel Bellevue. Draussen vor der Tür lärmen indes konzernkritische Aktivisten.

Aktuell hat Glencore ein Problem in Kolumbien, in der Provinz Cesar. Hier hat die Umweltbehörde dem Rohstoffriesen eine seiner drei Kohleminen stillgelegt. Unter der Tochterfirma Prodeco fördert Glencore im Norden von Kolumbien jedes Jahr 10 Millionen Tonnen Kohle. Das dabei entstehende Abwasser ist giftig. Doch offenbar hat es die Glencore-Tochter ungeklärt in den Fluss Cesar geleitet. Die Behörden haben es herausgefunden und die Mine kurzerhand geschlossen.

Diese Nachricht vom vergangenen Samstag ist bisher noch nicht richtig in die Schweiz durchgesickert. «Wir haben die Information in einem Artikel im kolumbianischen Onlinemagazin El Pilón gefunden», sagt Yvonne Zimmermann vom konzernkritischen Verein Multiwatch. Mit dieser Neuigkeit findet es Zimmermann um so zwingender, auf die «Machenschaften» von Glencore aufmerksam zu machen und dagegen zu demonstrieren. Attac und Tour de Lorraine rufen heute zum Protest gegen die «Drecksgeschäfte von Glencore» auf.

Lärm gegen Apéro und Lobbyarbeit

Am heutigen Lobby-Anlass will Glencore-Chef Ivan Glasenberg über sein Engagement «für die Gesundheit und Sicherheit von Mitarbeitenden und der Öffentlichkeit sowie für die Umwelt» informieren. «Das ist Zynismus, denn es liegt doch auf der Hand, dass Glencore in erster Linie am Profit interessiert ist und bewusst Massnahmen unterlässt um Umwelt, lokale Bevölkerung und Arbeitende in den Minen besser zu schützen», finden die Macher der Tour de Lorraine. Sie wollen deshalb mit Topfdeckeln und Pfeifen draussen lärmen, während Glencore im Bellevue einen Apéro riche auftischt. Diese Mahlzeit werde mit Schweiss und Blut aus den Minen Afrikas, Lateinamerikas und Asiens bezahlt, kritisieren die Aktivisten. «Wir sind nicht einverstanden, dass Unternehmen wie Glencore auch noch Steuergeschenke bekommen, intransparent wirtschaften und Menschenrechte verletzen», sagt Christa Amman, Berner Stadträtin der Alternative Linken, die auf Facebook für die Aktion weibelt.

«Wir wollen, dass Konzerne wie Glencore in der Schweiz zur Verantwortung gezogen werden.»

Yvonne Zimmermann, Multiwatch

Lobbyarbeit ist nicht verboten. So wie Glencore die Parlamentarier umwirbt und bewirtet, ist es gang und gäbe, zumal zur Session, wenn die Politikerdichte in Bundesbern besonders hoch ist. «Lobbyieren ist nicht illegal, aber wir sind empört darüber, dass Glencore einen Anlass mit Parlamentarierinnen veranstaltet, um ihnen ein beschönigtes Bild des Konzerns vorzugaukeln, während derselbe Konzern Menschenrechte verletzt, Umwelt zerstört, Abbauländer um Steuern prellt und um seine Minen die Gewalt ansteigt», moniert Zimmermann. Sie fordert, «dass Schweizer Konzerne wie Glencore, die einen Grossteil ihres Umsatzes im Ausland erwirtschaften, in der Schweiz zur Verantwortung gezogen werden können». Zimmermann verweist auf die Kampagne «Recht ohne Grenzen», die klare Regeln für Schweizer Unternehmen fordert, die im Ausland mit Menschenrechten und Umweltstandards in Konflikt geraten. «In einigen Ländern, wo multinationale Konzerne wie Glencore agieren, gibt es kein gutes Justizsystem. Deshalb müssten die Betroffenen im Heimatland des Konzerns ihr Recht bekommen», sagt Zimmermann.

Auch Kritiker sind eingeladen

Einer der geladenen Nationalräte ist der Genfer Carlo Sommaruga (SP). Er hat mit einer parlamentarischen Delegation Standorte von Glencore und Xstrata in Kolumbien besucht und weiss: «Mit Glencore gibt es ein grosses Problem, sie sagen, alles sei bestens, aber wenn man vor Ort ist, stellt man fest, das einiges im Argen liegt.»

«Ich werde kritische Fragen stellen, insbesondere zur Transparenz ihrer Geldströme.»

Carlo Sommaruga, SP-Nationalrat

In Kolumbien liefen gegen das Unternehmen Gerichtsverfahren wegen Verstössen gegen die Steuer- und Umweltgesetze. Zudem hätten die Bergarbeiter wegen der Arbeitsbedingungen gestreikt. «Es klappt vieles nicht, deshalb werde ich kritische Fragen stellen, insbesondere zur Transparenz ihrer Geldströme», betont Sommaruga. Glencore habe neben ihm die ebenfalls kritisch eingestellten Cédric Wermuth (SP) und Maja Ingold (EVP) eingeladen.

Vorbild Niederlande

Auch Sommaruga setzt sich für «Recht ohne Grenzen» ein und vertritt die Vision eines Schiedsgerichtes, bei dem die Betroffenen ihr Recht einklagen können. «Momentan ist das politisch noch nicht mehrheitsfähig, aber in diese Richtung müssen wir gehen.» Als Vorbild nennt Sommaruga die Niederlande: Im Januar wurde mit dem Ölriesen Shell erstmals ein multinationaler Konzern in Europa wegen Umweltschäden in Nigeria zu Schadenersatz verurteilt.